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Hallo Manfred
Paukstadt,
Demonstrationen für mehr Umwelt- und Klimaschutz, Bauernproteste und
Treckerblockaden: Rund um die internationale Agrarmesse „Grüne Woche“
wird dieses Jahr besonders hitzig und zugespitzt über Landwirtschaft und
Ernährung diskutiert. Viele Menschen fordern Veränderungen ein – und
wie orchestriert haben Bundesernährungsministerin Julia Klöckner und der
Bauernverband die Bühne der Grünen Woche genutzt, um darauf mit einer plakativen
Debatte über die Verantwortung der Einzelnen beim Einkauf zu antworten.
Mehr noch: Es ist ein regelrechtes Bashing von uns Verbraucherinnen und
Verbrauchern.
Die pauschale Botschaft, für die das Bundesministerium sogar eine
eigene Plakatkampagne unter dem Titel „Du entscheidest“ gestartet hat:
Wir schätzen Lebensmittel nicht ausreichend wert und sollen doch bitte
einfach mehr Geld für Essen ausgeben. Mit unserer
Schnäppchen-Mentalität tragen wir die Schuld für all die Missstände, von
untragbaren Zuständen in der Tierhaltung bis zu den Umwelt- und Klimafolgen
landwirtschaftlicher Produktion.
Wir bei foodwatch wissen, dass solche Aussagen durchaus bei vielen
Verbraucherinnen und Verbrauchern verfangen. Richtig ist, dass wir –
selbstverständlich! – eine Verantwortung für die Folgen unseres Tuns
haben. Und natürlich gibt es Menschen, denen beim Einkauf nichts
wichtig ist außer einem günstigen Preis. Doch die Pauschalkritik der
Ministerin ist falsch und noch dazu ziemlich dreist. Warum? Die wichtigsten
Argumente:
- Als zentralen Fakt nennen Frau Klöckner und andere,
dass wir in Deutschland nur einen geringen Anteil (etwa zehn Prozent) unseres
Einkommens für Lebensmittel ausgeben. Das stimmt, und das ist – prozentual –
weniger als etwa in Italien oder Frankreich, die bei manchen als
Sehnsuchtsländer der Esskultur gelten. Das belegt jedoch mitnichten die
These von einer scheinbar kollektiven Geiz-ist-geil-Mentalität: Die
geringen Pro-Kopf-Anteile sind nämlich kein Zeichen für eine mangelnde
Wertschätzung für Lebensmittel, sondern ganz einfach Ergebnis unseres Wohlstands
und anderer ökonomischer Umstände. Denn wir müssen nur deshalb einen so
geringen Anteil unseres Einkommens für Essen ausgeben, weil unser Einkommen so
hoch ist (viel höher als in Italien oder Frankreich) – und weil die
Lebensmittelpreise wegen des massiven Konkurrenzkampfs der Handelskonzerne
deutlich niedriger sind als in diesen Ländern. Was uns hier als vermeintliche
Logik verkauft wird, ist in Wahrheit ein Trugschluss. Denn wenn die Menschen in
den ärmsten Ländern der Welt 80 Prozent ihres Einkommens oder mehr für Essen
ausgeben, so ist dies schließlich auch keine Frage ihrer Einstellung – sondern
die blanke Not. Eigentlich ist es ganz einfach: Wer viel Geld hat, kann sich
viel Luxus leisten und muss nur einen kleineren Anteil für Notwendiges wie Essen
ausgeben. Über diese Zusammenhänge setzt sich Frau Klöckner hinweg und nutzt die
Zahlen für eine ganz andere Erzählung.
- Besonders plump ist die Forderung, Verbraucherinnen und
Verbraucher sollten doch einfach mehr Geld für Essen ausgeben – und damit den
Eindruck zu erwecken, als würde dies die Probleme in Landwirtschaft und
Tierhaltung lösen. Ohne Zweifel: Gerade Fleisch und tierische
Lebensmittel werden oft viel zu billig angeboten. Erhält ein Bauer nur
Dumpingpreise, kann er damit keine hohen Standards beim Umweltschutz oder in der
Tierhaltung bezahlen. Doch meist
haben wir das alles beim
Einkauf gar nicht in der Hand: Kaufen wir das teuerste Produkt, heißt
das nämlich längst nicht, dass zum Beispiel ein Bauer davon profitiert und dann
plötzlich anders produzieren kann – den höheren Profit streichen vor allem die
Supermärkte und Lebensmittelhersteller ein, ohne dass die Standards in der
Produktion verbessert werden.
- Wer ehrlich ist, sollte auch sagen: Ein höherer Preis
garantiert bei Lebensmitteln gerade keine höhere Qualität. Die teure Markenmilch
stammt womöglich von denselben Kühen und aus denselben Bedingungen wie das
billigere No-Name-Produkt, das im Regal daneben steht. Das teure Fleisch
ist teurer – aber stammt es deshalb von gesunden Tieren? Das alles
erfahren wir nicht. Zu den teuersten Lebensmitteln, gemessen an den
Produktionskosten, gehören zum Beispiel kleine probiotische Joghurts mit
haltlosen Gesundheitsversprechen, Limonaden oder Junk Food von
Markenherstellern, oftmals hergestellt mit billigem Zucker, billigem Palmfett,
billigen Zusatzstoffen – die Produkte sind also teuer, aber eben gerade nicht
von hoher Qualität.
Und so lenkt Ministerin Julia Klöckner mit ihrer
Wertschätzungsdebatte vor allem von der eigenen Verantwortung ab. Denn
offensichtlich ist doch: Viele von uns Verbraucherinnen und Verbrauchern
wollen unnötiges Tierleid nicht mehr akzeptieren – sie erfahren aber nicht,
unter welchen Umständen ein konkretes Produkt im Supermarkt hergestellt wurde.
Viele Menschen wollen beim Einkauf etwas tun – für ihre eigene
Gesundheit, für den Umweltschutz, für das Klima. Viele sind bereit,
Verantwortung beim Einkaufen zu übernehmen – wenn sie nur die Qualität von
Lebensmitteln zuverlässig vergleichen könnten. Doch sie erfahren ja nicht
einmal, woher die Erdbeeren in der Marmelade kommen.
Mancher, der zu ökologischen Produkten greift, ist enttäuscht, dass bei
allen Vorteilen selbst beim Bio-Siegel unnötiges Tierleid nicht ausgeschlossen
ist, dass auch in der Bio-Eier-Produktion männliche Eintagsküken direkt nach dem
Schlüpfen getötet werden dürfen, dass auch Lebensmittel, die mit hohem
Wasserverbrauch oder schlechter Klimabilanz durch die halbe Welt gekarrt werden,
das Siegel tragen dürfen. Die Menschen wünschen sich endlich bessere
Hilfestellungen beim Einkauf. Warum macht Frau Klöckner nicht endlich Schluss
mit tierquälerischen Praktiken, weil es dafür schließlich keine gute Begründung
gibt? Und warum stärkt die Ministerin nicht die Informationsrechte der
Menschen, sorgt für klare und verständliche Kennzeichnungen in lesbar großer
Schrift? Warum mutet sie uns immer noch unzählige irreführende Versprechen zu
und lässt uns im Dunkeln tappen, wie gut die Produkte wirklich sind?
Das anzugehen – und kein Verbraucherbashing – wäre die vordringliche
Aufgabe für eine
Bundesernährungsministerin. |
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Vielen
Dank und herzliche Grüße |
Ihr |
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Martin
Rücker,
Geschäftsführer |
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