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Hallo Manfred Paukstadt,
die Kohlebagger von RWE sollen stillstehen. Tausende
Menschen gehen dafür am letzten Oktober-Wochenende in die Kohlegrube am
Hambacher Wald. Es ist eine Aktion zivilen Ungehorsams. Auch zwei
Campact-Mitarbeiter/innen – Christoph Bautz und Luise Neumann-Cosel – wollen die
Bagger blockieren.
Wir möchten alle Campact-Unterstützer/innen darüber informieren,
warum sich die beiden der Aktion von Ende Gelände anschließen. Und
warum sie sich wünschen, dass Tausende mitkommen.
Mit herzlichen Grüßen Ihr Campact-Team |
Liebe Campact-Unterstützer/innen,
für uns beide ist klar: Wir haben lange gegen die Kohle demonstriert, zuletzt
mit 50.000 Menschen direkt am Hambacher Wald. Aber jetzt gehen wir persönlich
einen Schritt weiter, zusammen mit vielen Tausend weiteren Klimaschützer/innen.
Wir gehen in die Grube – in die Hambacher Kohlegrube. Am
Samstag, den 27. Oktober setzen wir uns vor die riesigen Bagger von RWE, damit
sie abgeschaltet werden. Und wir bleiben sitzen, bis uns die Polizei
wegträgt.
Das ist ein Schritt, den wir lange abgewogen haben und uns fragten: Ist das
moralisch legitim? Unsere Gedanken dazu finden Sie am Ende dieser Mail.
Warum wir den Schritt angesichts der Klimakrise jetzt gehen und warum
wir hoffen, dass viele Tausend Menschen bei der gewaltfreien Aktion zivilen
Ungehorsams von Ende Gelände mitmachen – das sehen Sie in unserem Video. Wir
haben es direkt an der Kohlegrube gedreht.
Schauen Sie sich hier das Video an: |
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Wir erwarten Tausende Menschen rund um den Hambacher Wald und die Kohlegrube.
Viele werden sich der Aktion von Ende Gelände anschließen. Friedlich,
ruhig und besonnen gehen sie in die Grube und setzen sich vor die
Bagger.
Viele andere werden sich nicht an einer Aktion zivilen Ungehorsams beteiligen
wollen – aber sich mit ihr solidarisch erklären und für einen konsequenten
Kohleausstieg demonstrieren. Darum organisiert Campact zusammen mit den
Naturfreunden Deutschlands, dem Umweltinstitut München und 350.org eine
Soli-Demo. Es wird ein kraftvolles Bild der Verbundenheit zwischen
Menschen in und am Rand der Kohlegrube entstehen.
Unsere Bitte an Sie: Protestieren Sie mit!
Ort: S-Bahnhof Buir nahe Köln (Stadtplanlink) Zeit: Samstag, 27. Oktober
2018, 10.30 Uhr
Bei Aktionen zivilen Ungehorsams übertreten Menschen öffentlich, symbolisch
und gewaltfrei ein Gesetz, um besonders schwerwiegende Ungerechtigkeiten
anzuprangern. Indem sie sich etwa in Mutlangen vor Atomwaffen-Depots und in
Gorleben vor Atommüll-Transporte gesetzt haben und so vor der atomaren Gefahr
warnten. Oder sich jetzt in Hambach vor die Kohlebagger setzen, um endlich
wirksamen Klimaschutz zu fordern. Ein solcher Schritt will gut begründet sein.
Deshalb haben wir uns die Entscheidung, bei der Aktion von Ende Gelände
mitzugehen, nicht leicht gemacht. Und in Büchern der politischen
Philosophie Rat gesucht.
Wir haben uns gefragt: Wann ist ziviler Ungehorsam zu
legitimieren? Für Claus Offe, ehemaliger Professor für politische
Soziologie an der Humboldt Universität in Berlin, ist ziviler Ungehorsam nur
unter sehr spezifischen Umständen gerechtfertigt: Wenn „es sich dabei um eine
schwere Ungerechtigkeit handelt, bei der eine (Mehrheits-)Entscheidung in
Zukunft nicht mehr revidierbar ist und/oder der entscheidende Personenkreis mit
dem betroffenen Personenkreis nicht identisch ist (auch bei nachfolgenden
Generationen).“[1]
Genau das ist beim Klimaschutz gegeben. Der Bericht des Weltklimarates (IPCC)
hat gerade gezeigt: Wir haben nur noch wenige Jahre, um eine dramatische
Klimakrise zu verhindern.[2] Doch die Bundesregierung hat die
CO2-Emissionen seit zehn Jahren so gut wie nicht reduziert.[3]
Aber was hat ziviler Ungehorsam überhaupt in einer Demokratie zu
suchen? Für John Rawls, langjähriger Professor an der Harvard
University für praktische Philosophie, ist ziviler Ungehorsam eine in der
Öffentlichkeit „stattfindende, gewaltfreie, gewissensbestimmte und
gesetzeswidrige Handlung mit Appell- und Symbolcharakter. Menschen, die zivilen
Ungehorsam anwenden, bringen durch die Gewaltfreiheit und Öffentlichkeit ihrer
Handlung sowie durch die bewusste Inkaufnahme juristischer Folgen, ihre
grundsätzliche Anerkennung der politischen Ordnung zum Ausdruck.“[4]
Ziviler Ungehorsam ist also ein wichtiger Bestandteil einer
Demokratie, wenn diese auf große Ungerechtigkeiten wie den Klimawandel nicht
angemessen reagiert. Zum Beispiel, weil die Lobby-Verbindungen von RWE
in SPD, FDP und CDU/CSU so massiv sind. Der berühmte Philosoph Prof. Jürgen
Habermas schreibt: „Jede rechtsstaatliche Demokratie, die ihrer selbst sicher
ist, betrachtet den zivilen Ungehorsam als normalisierten, weil notwendigen
Bestandteil ihrer politischen Kultur.“[5]
Mit diesem Zitat von Habermas im Kopf werden wir am Samstag, den 27. Oktober
bei der Aktion von Ende Gelände mitgehen. Wir hoffen darauf, dass sich
Tausende Menschen beteiligen oder zu unserer Soli-Demo kommen!
Bitte schauen Sie sich hier unser Video an.
Mit herzlichen Grüßen Christoph Bautz Luise Neumann-Cosel
PS: Schon in den vergangenen Jahren gingen Tausende Aktivist/innen mit Ende
Gelände friedlich in die Grube. 2016 blockierten sie einen Tag lang das
Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe in der Lausitz.[6] Vattenfall musste das
Kraftwerk erheblich drosseln. Solche entschlossenen Aktionen braucht es jetzt
wieder.
[1] „Herausforderungen
der Demokratie. Zur Integrations- und Leistungsfähigkeit politischer
Institutionen”, Claus Offe, Frankfurt/Main, 2004 [2] „Weltklimarat hält ‘nie
dagewesene Veränderungen‘ für nötig“, Süddeutsche Zeitung, 8. Oktober
2018 [3] „Treibhausgas-Emissionen in Deutschland”, Umweltbundesamt, 30. Juli
2018 [4] John Rawls: „Die Rechtfertigung bürgerlichen Ungehorsams“, in John
Rawls: Gerechtigkeit als Fairneß, Frankfurt/Main, 1985 [5] Jürgen Habermas:
„Ziviler Ungehorsam – Testfall für den demokratischen Rechtsstaat“, in Jürgen
Habermas: Die Neue Unübersichtlichkeit. Kleine politische Schriften,
Frankfurt/Main, 1996 [6] „Dem Kraftwerk geht die Kohle aus“, Die
Tageszeitung, 14. Mai 2016
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