16/10/2018

. Wir gehen in die Grube – in die Hambacher Kohlegrube.

 


 
Hallo Manfred Paukstadt,
die Kohlebagger von RWE sollen stillstehen. Tausende Menschen gehen dafür am letzten Oktober-Wochenende in die Kohlegrube am Hambacher Wald. Es ist eine Aktion zivilen Ungehorsams. Auch zwei Campact-Mitarbeiter/innen – Christoph Bautz und Luise Neumann-Cosel – wollen die Bagger blockieren.
Wir möchten alle Campact-Unterstützer/innen darüber informieren, warum sich die beiden der Aktion von Ende Gelände anschließen. Und warum sie sich wünschen, dass Tausende mitkommen.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Campact-Team

Liebe Campact-Unterstützer/innen,
für uns beide ist klar: Wir haben lange gegen die Kohle demonstriert, zuletzt mit 50.000 Menschen direkt am Hambacher Wald. Aber jetzt gehen wir persönlich einen Schritt weiter, zusammen mit vielen Tausend weiteren Klimaschützer/innen. Wir gehen in die Grube – in die Hambacher Kohlegrube. Am Samstag, den 27. Oktober setzen wir uns vor die riesigen Bagger von RWE, damit sie abgeschaltet werden. Und wir bleiben sitzen, bis uns die Polizei wegträgt.
Das ist ein Schritt, den wir lange abgewogen haben und uns fragten: Ist das moralisch legitim? Unsere Gedanken dazu finden Sie am Ende dieser Mail. Warum wir den Schritt angesichts der Klimakrise jetzt gehen und warum wir hoffen, dass viele Tausend Menschen bei der gewaltfreien Aktion zivilen Ungehorsams von Ende Gelände mitmachen – das sehen Sie in unserem Video. Wir haben es direkt an der Kohlegrube gedreht.
Schauen Sie sich hier das Video an: 
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Wir erwarten Tausende Menschen rund um den Hambacher Wald und die Kohlegrube. Viele werden sich der Aktion von Ende Gelände anschließen. Friedlich, ruhig und besonnen gehen sie in die Grube und setzen sich vor die Bagger.
Viele andere werden sich nicht an einer Aktion zivilen Ungehorsams beteiligen wollen – aber sich mit ihr solidarisch erklären und für einen konsequenten Kohleausstieg demonstrieren. Darum organisiert Campact zusammen mit den Naturfreunden Deutschlands, dem Umweltinstitut München und 350.org eine Soli-Demo. Es wird ein kraftvolles Bild der Verbundenheit zwischen Menschen in und am Rand der Kohlegrube entstehen.
Unsere Bitte an Sie: Protestieren Sie mit! 
Ort: S-Bahnhof Buir nahe Köln (Stadtplanlink)
Zeit: Samstag, 27. Oktober 2018, 10.30 Uhr
Bei Aktionen zivilen Ungehorsams übertreten Menschen öffentlich, symbolisch und gewaltfrei ein Gesetz, um besonders schwerwiegende Ungerechtigkeiten anzuprangern. Indem sie sich etwa in Mutlangen vor Atomwaffen-Depots und in Gorleben vor Atommüll-Transporte gesetzt haben und so vor der atomaren Gefahr warnten. Oder sich jetzt in Hambach vor die Kohlebagger setzen, um endlich wirksamen Klimaschutz zu fordern. Ein solcher Schritt will gut begründet sein. Deshalb haben wir uns die Entscheidung, bei der Aktion von Ende Gelände mitzugehen, nicht leicht gemacht. Und in Büchern der politischen Philosophie Rat gesucht.
Wir haben uns gefragt: Wann ist ziviler Ungehorsam zu legitimieren? Für Claus Offe, ehemaliger Professor für politische Soziologie an der Humboldt Universität in Berlin, ist ziviler Ungehorsam nur unter sehr spezifischen Umständen gerechtfertigt: Wenn „es sich dabei um eine schwere Ungerechtigkeit handelt, bei der eine (Mehrheits-)Entscheidung in Zukunft nicht mehr revidierbar ist und/oder der entscheidende Personenkreis mit dem betroffenen Personenkreis nicht identisch ist (auch bei nachfolgenden Generationen).“[1]
Genau das ist beim Klimaschutz gegeben. Der Bericht des Weltklimarates (IPCC) hat gerade gezeigt: Wir haben nur noch wenige Jahre, um eine dramatische Klimakrise zu verhindern.[2] Doch die Bundesregierung hat die CO2-Emissionen seit zehn Jahren so gut wie nicht reduziert.[3]
Aber was hat ziviler Ungehorsam überhaupt in einer Demokratie zu suchen? Für John Rawls, langjähriger Professor an der Harvard University für praktische Philosophie, ist ziviler Ungehorsam eine in der Öffentlichkeit „stattfindende, gewaltfreie, gewissensbestimmte und gesetzeswidrige Handlung mit Appell- und Symbolcharakter. Menschen, die zivilen Ungehorsam anwenden, bringen durch die Gewaltfreiheit und Öffentlichkeit ihrer Handlung sowie durch die bewusste Inkaufnahme juristischer Folgen, ihre grundsätzliche Anerkennung der politischen Ordnung zum Ausdruck.“[4]
Ziviler Ungehorsam ist also ein wichtiger Bestandteil einer Demokratie, wenn diese auf große Ungerechtigkeiten wie den Klimawandel nicht angemessen reagiert. Zum Beispiel, weil die Lobby-Verbindungen von RWE in SPD, FDP und CDU/CSU so massiv sind. Der berühmte Philosoph Prof. Jürgen Habermas schreibt: „Jede rechtsstaatliche Demokratie, die ihrer selbst sicher ist, betrachtet den zivilen Ungehorsam als normalisierten, weil notwendigen Bestandteil ihrer politischen Kultur.“[5]
Mit diesem Zitat von Habermas im Kopf werden wir am Samstag, den 27. Oktober bei der Aktion von Ende Gelände mitgehen. Wir hoffen darauf, dass sich Tausende Menschen beteiligen oder zu unserer Soli-Demo kommen! 
Bitte schauen Sie sich hier unser Video an.
Mit herzlichen Grüßen
Christoph Bautz
Luise Neumann-Cosel
PS: Schon in den vergangenen Jahren gingen Tausende Aktivist/innen mit Ende Gelände friedlich in die Grube. 2016 blockierten sie einen Tag lang das Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe in der Lausitz.[6] Vattenfall musste das Kraftwerk erheblich drosseln. Solche entschlossenen Aktionen braucht es jetzt wieder.
[1] „Herausforderungen der Demokratie. Zur Integrations- und Leistungsfähigkeit politischer Institutionen”, Claus Offe, Frankfurt/Main, 2004
[2] „Weltklimarat hält ‘nie dagewesene Veränderungen‘ für nötig“, Süddeutsche Zeitung, 8. Oktober 2018
[3] „Treibhausgas-Emissionen in Deutschland”, Umweltbundesamt, 30. Juli 2018
[4] John Rawls: „Die Rechtfertigung bürgerlichen Ungehorsams“, in John Rawls: Gerechtigkeit als Fairneß, Frankfurt/Main, 1985
[5] Jürgen Habermas: „Ziviler Ungehorsam – Testfall für den demokratischen Rechtsstaat“, in Jürgen Habermas: Die Neue Unübersichtlichkeit. Kleine politische Schriften, Frankfurt/Main, 1996
[6] „Dem Kraftwerk geht die Kohle aus“, Die Tageszeitung, 14. Mai 2016

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