Die neuen Grünen-Vorsitzenden Baerbock und
Habeck dürfen sich erst einmal feiern lassen - müssen dann aber an die
Arbeit. Und aus wolkigen Visionen Realpolitik machen.
Ein Kommentar von Andrea Müller, ARD-Hauptstadtstudio
Ganz ehrlich: Gut geht es den Grünen nicht. Das
Wahlergebnis mau, die Träume vom Mitregieren bei Jamaika geplatzt und
nun kleinste Oppositionspartei im Bundestag.
Und trotzdem hat sich die Partei in Hannover in
Bestform präsentiert. Die Delegierten haben ein starkes Team an die
Spitze gewählt. Robert Habeck - schon jetzt fast ein Medienstar, cool,
lässig, regierungserfahren. Annalena Baerbock - lebhaft, kämpferisch und
engagiert bis in die Haarspitzen.
Es wird vieles anders bei den Grünen, versprechen
sie. Ihre Idee: Ein neuer grüner Weg. Realpolitik machen, ohne die
Ziele, die Ideale aus dem Blick zu verlieren. Macht kommt von machen,
nicht von wollen, sagt Habeck. Die Grünen sind längst reif dafür, in den
Ländern und Kommunen stellen sie es tagtäglich unter Beweis.
Delegierte für Veränderungen bereit
Nun machen sich zwei Realos auf, die Bundespartei zu verändern. Und die Delegierten scheinen mehr als bereit zu sein.
War es Mut, war es Einsicht oder mangelnde
Alternativen? Der Parteitag hat den alten Flügelproporz über Bord
geworfen und hat sich locker gemacht beim Thema Ämterhäufung. Robert
Habeck bekommt seine Übergangsfrist für den Abschied aus dem
Umweltministerium in Kiel.
Der Wechsel an der Parteispitze ist ein Aufbruch,
und den haben die Grünen gut hinbekommen. Die Jamaika-Sondierung hat
sie zusammengeschweißt, diese Einigkeit hat auf dem Parteitag gut
gehalten.
Wahlergebnis, Parteiprogramm, Wählerschichten
Angekommen aber sind die Grünen noch lange nicht.
Die Fehler im Wahlkampf sind noch nicht analysiert, die vielen
Kompromissangebote an Union und FDP nicht aufgearbeitet. Das alte
Parteiprogramm passt in vielen Punkten nicht mehr zu den Umbrüchen in
Wirtschaft und Gesellschaft.
Auf das gefeierte Dreamteam kommt viel Arbeit zu.
Aus den, bei Habeck, oft sehr wolkigen Visionen muss am Ende dann doch
ein konkretes Politik-Angebot werden. Nicht nur fürs grüne Milieu. Die
Grünen müssen neue Wählerschichten überzeugen. Wie schwer das ist, weiß
Annalena Baerbock selbst am besten. Sie kommt aus Brandenburg - kein
grüner Hotspot und noch dazu Braunkohlerevier. Ausgerechnet dort wirbt
Baerbock für den Ausstieg aus der Kohle.
Noch darf sich das neue Duo ein bisschen feiern
lassen - den Medienhype kann die kleinste Opposition im Bundestag fürs
Erste gut brauchen.
In die Rolle des Messias aber sollte sich vor
allem Robert Habeck nicht heben lassen. Das kann böse enden. Wir wissen
das von der SPD.