Die
Groko-Befürworter in der SPD zitieren gern Franz Müntefering.
"Opposition
ist Mist", hat der frühere Parteichef einmal gesagt. Ausgelaugt zu
regieren
mit der Aussicht, weiter ausgelaugt zu werden, ist aber der größere
Mist. Auch weil die Groko-Chefin Merkel erfolgreich als Ideenvampirin
agiert, droht der
SPD in einem Regierungsbündnis mit der Union nicht weniger als die
Bedeutungslosigkeit. Das wäre verheerend.
Deutschland geht
es wirtschaftlich und sozial vergleichsweise auch deshalb so gut, weil seit
Gründung der Bundesrepublik in der politischen Mitte zwei Parteien abwechselnd die
Führung übernommen haben, die nicht zuerst Einzelinteressen vertreten,
sondern das große Ganze im Blick hatten. Es ist ein wesentlicher Teil des
Konzepts einer Volkspartei. Diesen Anspruch darf die SPD nicht aufgeben, wenn sie wieder eine
relevante Kraft in Deutschland werden will. Deshalb darf aus der einstigen Ausnahme Groko
auch nicht die Regel werden.
Paradoxerweise
funktioniert der Satz "Erst das Land, dann die Partei" für die SPD
derzeit nur, wenn sie an sich zuerst denkt: Dem Land wäre damit
gedient, wenn die Sozialdemokraten endlich sozialdemokratische Antworten
auf die
Zukunftsfragen suchen würden. Die SPD war immer dann gut, wenn sie
formuliert hat, wohin die Gesellschaft grundsätzlich steuern soll. Dazu
gehörte Willy Brandts "Mehr
Demokratie wagen" und auch Schröders "Neue Mitte". So
unterschiedlich beide Konzepte waren, sie reagierten auf die
fundamentalen
Richtungsfragen ihrer Zeit.Große Versuchung
Die
Aufforderung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an alle
Parteien, eine
Lösung jenseits von Neuwahlen zu finden, ist natürlich keine einfache,
im Gegenteil. Doch wie leicht sich die SPD
vom grundsätzlichen Nein zur Groko zu einem
Vielleicht bewegen ließ, ist zumindest überraschend. Da muss die Frage
erlaubt sein,
ob sich hinter dem staatstragenden Pragmatismus nicht in Wirklichkeit
ein Opportunismus verbirgt, der Posten und Einfluss sichert. Im
Gegensatz zur
Tolerierung einer Minderheitsregierung, böte eine Groko eben
Ministerämter und
andere schöne Alternativen. Die Versuchung ist jedenfalls groß. Zudem
muss die SPD fürchten, bei Neuwahlen vom Wähler noch mehr abgestraft zu
werden. Dann offenbar doch lieber direkt in die Groko.
Die SPD sollte sich genügend Zeit nehmen, um zu entscheiden, welche Rolle sie in den kommenden Monaten
spielen will. Da ist Fantasie gefragt. Jamaika, eine große
Koalition oder eine reine Minderheitsregierung sind nicht die einzigen möglichen Lösungen. Der Sprecher
der SPD-Linken, Matthias Miersch, hat einen vierten Weg vorgeschlagen. Denkbar sei, mit der Union verbindliche
Verabredungen in wichtigen Themenfeldern wie der Europapolitik zu vereinbaren,
ohne in eine große Koalition einzutreten oder eine feste Unterstützung für
eine Minderheitsregierung zu garantieren.
Warum eigentlich
nicht? Erst das Land, dann die Partei. Die SPD kann und soll an diesem
Mantra auch bei dieser schwierigen Regierungsbildung festhalten – indem
sie auf eine weitere Groko verzichtet. Denn mit einem Land ohne diese
Partei ist niemandem gedient.