Berlin, 05. Juli 2017
Liebe
Leserinnen und Leser,
am vergangenen Freitag endete die letzte Sitzungswoche im Deutschen Bundestag
und damit - zumindest für diese Legislaturperiode - erneut die Chance, den
Natur- und Umweltschutz in Deutschland durch neue, wirklich zukunftsweisende
Gesetze zu stärken und deutlich voran zu bringen. Die Novelle des
Bundesnaturschutzgesetzes, die am 22. Juni beschlossen wurde, ist dafür
beispielhaft. Zwar freuen wir uns, dass für die endgültige Fassung der
Gesetzesänderung die geplanten Einschränkungen beim Schutz von Nord- und Ostsee
noch abgewehrt werden konnten - nicht zuletzt aufgrund der massiven Einwände des
NABU. Aber das war nur die Rettung des Status quo. Echter Fortschritt sieht
anders aus.
So verbleiben in der Praxis viele offene Fragen hinsichtlich
Auslegung, Umsetzung und Anwendung der gesetzlichen Regelungen. Viele
Anpassungen übernehmen lediglich Regelungen aus bereits bestehendem EU-Recht und
gehen leider auch nicht darüber hinaus; so zum Beispiel beim individuenbezogenen
Tötungsverbot. Insbesondere aber fehlen konkrete Vorgaben zur "guten fachlichen
Praxis" in der Landwirtschaft. Um die Artenvielfalt hierzulande zu schützen, ist
eine weitere Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes unbedingt notwendig. Denn
wenn Deutschland das selbst gesteckte Ziel, bis 2020 das Artensterben zu
stoppen, wirklich erreichen will, müssen ernst gemeinte Anstrengungen
unternommen werden.
Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen
Ihr Leif
Miller
NABU-Bundesgeschäftsführer
Inhalt
1. BNatSchG-Novelle: Durchatmen beim Meeresschutz
2. Erfolgreicher
Pestizid-Protest
3. Energieeffizienz und Energiesparen im Alltag
4.
#NatürlichKlimaschutz
5. Der bundesweite Flächenverbrauch ist immer noch viel
zu hoch - eine nachhaltige Siedlungsentwicklung braucht qualifizierte
Flächensparkonzepte
6. Die Zukunft des EU-Naturschutzes nach dem
Fitness-Check
NABU-Zahl des Monats
Juli
Ab 2018 sind acht Millionen Hektar landwirtschaftliche Fläche
pestizidfrei
Aktuelle Terminhinweis
Segelreise des NABU zum Schutz von Nord- und Ostsee
15. bis 25. August
2017
Weitere
Informationen zur Segelreise
1. BNatSchG-Novelle: Durchatmen beim Meeresschutz
Am 22. Juni stimmte der Deutsche Bundestag dem neuen Bundesnaturschutzgesetz
zu. Bis zum letzten Tag wurde verhandelt. Dann stoppte ein Änderungsantrag der
Großen Koalition das geplante Einvernehmen in § 57. Darüber wollten sich die
Ministerien für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Forschung ein Vetorecht
bei der Umsetzung von Meeresschutzgebieten in der Nord- und Ostsee sichern.
Damit hätten nicht nur effektive Schutzmaßnahmen verhindert werden können,
sondern der Naturschutz in Deutschland wäre grundsätzlich geschwächt worden. Der
NABU hatte sich mit der Kampagne SOS fürs Meer für einen Änderungsantrag stark
gemacht und begrüßt die Entscheidung als wichtiges Signal parlamentarischer
Demokratie.
Durch das novellierte Naturschutzgesetz können zukünftig
auch die Vorgaben der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie umgesetzt und so
zusätzliche Arten und Lebensräume geschützt werden. Gleichzeitig stellt die
Bundestagsentscheidung nur einen Etappenerfolg dar. Ganz aktuell laufen
Verhandlungen zu den Schutzgebietsverordnungen in den Natura-2000-Gebieten der
deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone und der Regulierung der Fischerei in
ebendiesen Schutzgebieten. Dabei wird sich zeigen, ob der Meeresschutz vor der
eigenen Haustür ein Lippenbekenntnis bleibt oder ob notwendige Schutzmaßnahmen
umgesetzt werden können.
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SOS fürs Meer
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Etappensieg beim Schutz von Nord- und Ostsee
2. Erfolgreicher Pestizid-Protest
Das EU-Parlament hat am 14.Juni in einer knappen Entscheidung für ein
Pestizidverbot auf den sogenannten Ökologischen Vorrangflächen gestimmt. Diese
müssen größere Betriebe auf fünf Prozent ihrer Ackerflächen zum Schutz der
Artenvielfalt in der Agrarlandschaft einrichten. Bisher war auf diesen Flächen
allerdings absurderweise der Pestizideinsatz erlaubt. Wenn dort Platz für
Insekten und Feldvögel geschaffen werden soll, haben Pestizide jedoch auf diesen
Flächen nichts zu suchen. Daher wertet der NABU diese Entscheidung im
EU-Parlament als einen längt überfälligen ersten Schritt in die richtige
Richtung. Das Abstimmungsergebnis zeigt, dass die Wünsche der Bürger nach einer
umfassenden Reform der EU-Agrarpolitik erste kleine Früchte tragen. Innerhalb
von nur einer Woche waren über 9.000 Menschen dem Aufruf des NABU gefolgt und
hatten Protest-E-Mails an einflussreiche EU-Abgeordnete verschickt.
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Pestizid-Verbot nur ein erster Schritt
3. Energieeffizienz und Energiesparen im Alltag
Eigentlich war die Weltgemeinschaft schon auf einem guten Wege, den
Klimawandel auf ein gerade noch erträgliches Maß zu begrenzen. Durch den
Ausstieg Donald Trumps aus dem Pariser Klimaschutzabkommen besteht die Gefahr,
dass dieser Pfad wieder verlassen wird. Jetzt bleibt nur noch eine Möglichkeit:
Wir alle müssen uns noch mehr ins Zeug legen beim Klimaschutz! Energieeffizienz
wird nur zu gerne als der schlafende Riese beim Klimaschutz genannt, der geweckt
werden muss. Für mehr Effizienz und Einsparung braucht es jeden Einzelnen, denn
auf das Verhalten und die alltäglichen Entscheidungen kommt es genauso an wie
auf die richtigen politischen Entscheidungen.
In einem europäischen
Horizon 2020-Projekt forschen wir gemeinsam mit einem internationalen Konsortium
aus Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Zivilgesellschaft. Ziel ist, dass
Energiedaten eine Rückmeldung zum eigenen Verhalten liefern und Anreize
geschaffen werden können, damit auch Verhaltensänderungen erfolgen. In den
nächsten drei Jahren wird in Pilotprojekten in Deutschland, Griechenland und der
Schweiz erprobt, wie Smart-Meter-Daten gesammelt und so aufbereitet werden
können, dass sie den Nutzern den Energieverbrauch verständlich erklären.
Mit Hilfe von Spielen, sowohl als App auf dem Smartphone als auch als
Brettspiel, soll dieses Wissen möglichst energiesparendes und energieeffizientes
Verhalten anregen. Angesprochen werden im Projekt nicht nur Privatpersonen
sondern auch Nutzer von öffentlichen Gebäuden wie z.B. Schulen, Bibliotheken und
Bürogebäuden.
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- das Horizon
2020-Projekt
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4. #NatürlichKlimaschutz
In 123 Tagen beginnt die nächste Weltklimakonferenz - in diesem Jahr unter
der Präsidentschaft Fidschis am Sitz der Klimarahmenkonvention der Vereinten
Nationen (UNFCCC) in Bonn. Kurz nach der Bundestagswahl werden dann
wahrscheinlich die Koalitionsverhandlungen noch in vollem Gange sein, während in
der ehemaligen Bundeshauptstadt Delegierte aus 196 Ländern zusammen kommen, um
die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens zu diskutieren.
Klimaschutz ist
eines der zentralen Themen der Zukunft, nicht zuletzt, weil es ein
allumfassendes Problem darstellt. Es gibt keinen Sektor, der nicht durch seine
Treibhausgasemissionen zum Klimawandel beiträgt und kaum einen Bereich, der
nicht davon betroffen ist.
Der Schutz von Mooren ist allein aus Gründen
des Naturschutzes unerlässlich, aber Moore sind auch ein riesiger
Kohlenstoffspeicher. Über Landwirtschaft sprechen und schreiben wir im Moment
ziemlich viel - es steht mit der Agrar-Reform auch viel auf dem Spiel! Dass aber
die Treibhausgasemissionen aus dem Sektor Landwirtschaft größer sind als die des
Industriesektors, weiß kaum jemand. Bei den beiden Themen wird es aber nicht
bleiben, besuchen Sie bis November gelegentlich auf unseren Blog-Seiten die
aktuellen Artikel!
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5. Der bundesweite Flächenverbrauch ist immer noch viel zu hoch -
eine nachhaltige Siedlungsentwicklung braucht qualifizierte
Flächensparkonzepte
Das Ziel der Bundesregierung, den täglichen Flächenverbrauch auf 30 Hektar
pro Tag zu reduzieren, liegt in weiter Ferne. Derzeit beträgt die tägliche
Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlung und Verkehr immer noch
durchschnittlich 66 Hektar pro Tag. Somit fiel der 30-Hektar-Tag dieses Jahr auf
den 15. Juni. An diesem Tag wurde seit Anfang des Jahres bundesweit bereits so
viel Fläche neu verbaut, dass bis zum Ende dieses Jahres keine weiteren Flächen
für Siedlung und Verkehr neu in Anspruch genommen werden dürften, wollte man das
30-Hektar-Ziel einhalten.
Mit der Neuauflage der Deutschen
Nachhaltigkeitsstrategie hat die Bundesregierung Anfang des Jahres gerade erst
das 30-Hektar-Ziel für das Jahr 2020 auf das Jahr 2030 verschoben. Zwar soll
demzufolge die Inanspruchnahme zusätzlicher Flächen auf "unter 30 Hektar pro
Tag", also auf "30 Hektar minus X" begrenzt werden. Dennoch enttäuscht diese
wenig konkrete Formulierung, vor allem, weil nicht klar ist, wie groß dieses X
ist. Anstatt also ambitionierte Ziele zu setzen und auch entsprechend zu
qualifizieren, verschiebt die Bundesregierung lediglich das alte, nicht
erreichte Ziel um weitere zehn Jahre.
Obwohl der tägliche
Flächenverbrauch von etwa 120 Hektar um die Jahrtausendwende mittlerweile nahezu
halbiert wurde, sind zusätzliche Anstrengungen unverzichtbar, um die
Neuinanspruchnahme von Flächen möglichst gering zu halten. Langfristig muss eine
sogenannte Flächenkreislaufwirtschaft angestrebt werden. Dabei werden
neuversiegelte Flächen durch die Entsiegelung nicht mehr genutzter Flächen sowie
die Umwandlung zu Grünflächen aufgewogen, so dass der Netto-Flächenverbrauch am
Ende Null betragen soll. Der Klimaschutzplan des Bundesministeriums für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit nennt hierfür das Jahr 2050 als
Zielmarke. Um dies zu erreichen, müssen sich aber auch die Bundesländer sowie
Städte und Gemeinden konkrete Flächensparziele setzen.
Darüber hinaus
darf Bauen am Ortsrand nur die absolute Ausnahme sein. Die "Doppelte
Innentwicklung", also das Bauen im Bestand sowie die Sicherung und Aufwertung
von innerstädtischen Grünflächen, muss sich zum Regelfall entwickeln.
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Weitere Informationen und eine Übersicht über den jeweiligen statistischen
Anteil am bundesweiten Flächenverbrauch für alle Länder, Städte und Gemeinden
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6. Die Zukunft des EU-Naturschutzes nach dem Fitness-Check
Am 19. Juni 2017 verabschiedeten die EU-Umweltminister ihre
Schlussfolgerungen zum Aktionsplan zum besseren Schutz der Biodiversität in der
EU und zogen damit offiziell den Schlussstrich unter das Kapitel "Fitness-Check
der Fauna-Flora-Habitat- und der EU-Vogelschutzrichtlinie". Der Aktionsplan mit
dem Titel "Für Natur, Mensch und Wirtschaft" ist das "Follow-up" zum
Fitness-Check und umfasst vier Schwerpunktbereiche sowie konkrete Maßnahmen, die
von 2017 bis 2019, also noch vor Ende der laufenden Amtszeit der Kommission,
abgearbeitet werden sollen. Die Umweltverbände hatten den im April
veröffentlichten Plan grundsätzlich begrüßt. Leider schafft es die Kommission
darin jedoch nicht, die wichtigsten limitierenden Faktoren bei der Umsetzung der
Richtlinien und der Biodiversitätsziele der EU progressiv zu adressieren: Die
Gemeinsame EU-Agrarpolitik und das systematische Versagen des EU-Haushaltes bei
der Finanzierung des Naturschutzes.
Trotz der Vielstimmigkeit der
verschiedenen EU-Mitgliedstaaten greifen die Umweltminister genau diese Lücken
im Aktionsplan in ihren Schlussfolgerungen auf. Die Minister verdeutlichen u.a.
die dringende Notwendigkeit die Finanzierungslücke im Naturschutz
schnellstmöglich zu schließen und aktuelle Kostenschätzungen zur Bewertung der
Wirksamkeit des derzeit verfolgten integrierten Ansatzes vorzulegen. Insgesamt
zeigen die Ratsschlussfolgerungen, dass der Aktionsplan zwar ein erster
wichtiger Schritt ist, aber allein nicht ausreichen wird, um die
Naturschutzrichtlinien vollständig umzusetzen und zu finanzieren. Für den NABU
steht fest: Eine Neuausrichtung der EU-Naturschutzfinanzierung ist dringend
notwendig, denn der derzeit verfolgte Ansatz, bei dem die Mitgliedstaaten aus
verschiedenen EU-Fonds die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen sollen, ist
gescheitert. Der NABU und weitere Umweltverbände fordern für den EU-Haushalt
nach 2020 deshalb die Einrichtung eines EU-Naturschutzfonds in Höhe von 15
Milliarden Euro sowie eine längst überfällige grundlegende Reform der
Gemeinsamen Agrarpolitik.
Wie die Zukunft der EU-Finanzen des künftigen
Europas der 27 aussehen könnte, stellte der deutsche EU-Finanzkommissar, Günther
Oettinger, vergangene Woche im Zuge der Veröffentlichung eines Reflexionspapiers
vor. Das Papier folgt der Veröffentlichung des Weißbuchs zur Zukunft Europas, in
dem Präsident Juncker im Frühjahr fünf mögliche Szenarien für die Zukunft der EU
aufgezeigt hatte. Einen Vorschlag für das nächste EU-Budget nach 2020 will
Oettinger jedoch erst im Frühjahr/Sommer 2018 vorlegen. Nach dem EU-Austritt der
Briten und den geplanten höheren Sicherheitsausgaben droht eine Finanzlücke im
künftigen EU-Haushalt. Viel Zeit wird den Gesetzgebungspartnern, dem aktuellen
Parlament und dem Rat für die Verhandlungen damit nicht bleiben, denn ein Jahr
später wählen die EU-Bürgerinnen und -Bürger bereits ein neues EU-Parlament und
auch die Amtszeit der aktuellen EU-Kommission geht im Herbst zu Ende. Sollten
die Verhandlungen bis zur Europawahl nicht abgeschlossen sein, wird ein
verspäteter Beginn der neuen Förderperiode (planmäßig ab 2021) wohl nur schwer
zu vermeiden sein.
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Zum "Aktionsplan für Natur, Mensch und Wirtschaft"
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Aktuelles zur Agrarpolitik
-
Reflexionspapier zur Zukunft der EU-Finanzen
NABU-Zahl des Monats Juli
Ab 2018 sind acht Millionen Hektar landwirtschaftliche Fläche
pestizidfrei
Ab dem 1. Januar 2018 bleiben EU-weit rund acht
Millionen Hektar Ackerfläche pestizidfrei. In Deutschland sind das 1,3 Millionen
Hektar. Dafür sorgt das Pestizidverbot auf sogenannten Ökologischen
Vorrangflächen, dem das Europäische Parlament Anfang Juni zugestimmt hat.
Damit Landwirte die Direktzahlungen aus der ersten Säule der
EU-Agrarpolitik (GAP) erhalten, müssen sie sicherstellen, dass fünf Prozent
ihrer Fläche als Ökologische Vorrangflächen genutzt werden, um Artenvielfalt zu
fördern. Bislang waren dort auch Pestizide erlaubt.
Diese Entscheidung
im EU-Parlament zeigt, dass die Wünsche der Bürger nach einer umfassenden Reform
der EU-Agrarpolitik erste kleine Früchte tragen. Innerhalb von nur einer Woche
waren über 9.000 Menschen dem Aufruf des NABU gefolgt und hatten Protest-E-Mails
an einflussreiche EU-Abgeordnete verschickt. Das Pestizidverbot ist ein erster
Schritt in die richtige Richtung. Insgesamt ist aber eine grundlegende
Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik notwendig, um das Artensterben in der
Agrarlandschaft zu stoppen.
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