Achte Partie: Auch
Carlsen spielte mal wieder 1.d4, in diesem Match erstmals seit dem
Trompowsky-Experiment in der ersten Partie. Wieder wurde es eine
Nebenvariante: 1.d4 Sf6 2.Sf3 (2.Lg5) 2.-d5 3.e3 (ähm äh, natürlich kann
man so spielen) 3.-e6 4.Ld3 c5 5.b3 – was ist das denn?? So spielte
zuerst Johannes Zukertort anno 1886, daher ist es offenbar das
Zukertort-System. So spielte (das erwähnte Daniel King) des öfteren
Artur Jussupow. So spielte zuletzt auf hohem Niveau Nakamura 2013 in
London gegen Gelfand, allerdings etwas „aus Versehen“ (er begann mit
1.b3). Carlsens 8.dxc5 deutete an, dass Jussupow – der hier generell Se5
und später f4 spielte – zwar eine Carlsen-Videoserie für chess24
produzierte aber wohl doch nicht heimlicher Carlsen-Sekundant ist.
Genug zur Eröffnung, objektiv nicht
allzu vielversprechend für Weiss, aber das muss ja auch nicht unbedingt
sein (denkt jedenfalls Carlsen). Nach 16 Zügen dachte Carlsen vielleicht
„vorwärts geht nicht, also rückwärts“: 17.De1 und 18.Lf1. Das ging
noch, aber 19.Sb5 (doch wieder vorwärts, allerdings – da die Musik am
Königsflügel spielen könnte – ins Abseits) erlaubte 19.-Dg5 mit
eventuell schwarzem Königsangriff. So spielte Karjakin nicht, es war auf
die gesamte Partie bezogen eher ein „Detail“. Bunt wurde es in der
Zeitnotphase – Carlsen spekulierte vielleicht bei eigener Zeitnot auf
Karjakins Zeitnot: 31.h3 statt 31.Txd7 (Remisabwicklung) ging noch,
35.c5??! (zweites Bauernopfer) war definitiv zu viel. Aber dann gab
Karjakin das „Kompliment“ zurück: bei 37.-Dd3? (37.-Da4!) übersah er,
jedenfalls nach eigener Aussage hinterher, nicht den taktischen Trick
38.Sxe6+, sondern dass Weiss (nach der Zeitkontrolle) mit 41.e4 (nur so)
angesichts schwarzer Schwächen am Königsflügel wieder Ausgleich hat: so
beschäftigt er den Gegner und kann a4-a3-a2-a1D verhindern.
Nach der Zeitkontrolle dachte ich
eigentlich „es war Mitternacht, das wird remis, also Bettzeit“ und blieb
dann doch bei der Liveübertragung – und Carlsen, der nach wie vor oder
wieder unbedingt gewinnen wollte, schaffte es die Partie doch noch zu
verlieren! 44.Dc6 (statt 44.Dg6+ mit wohl Dauerschach) ging noch, und
später hatte Weiss gar am Königsflügel Mehrbauern – das lag allerdings
daran, dass Karjakin auf 48.-Sxe4 (total ausgeglichen) verzichtete und
mit 48.-Sd3 noch was versuchte ohne dabei etwas zu riskieren. Er hatte
ja noch einen a-Freibauern – Carlsen musste aufpassen und genau spielen!
Am Ende kippte die Partie innerhalb weniger Züge nochmals: 49.Da5?!
Dc5! 50.Da6 Se5 (da steht der Springer prima, und der weisse Lg2
verflucht den noch lebenden Bauern auf e4) 51.De6? h5! (nur so!) 52.h4?
a2! (nur so!). Nun kann Schwarz den a-Bauern über Bord werfen, Carlsen
gab auf – angesichts von 53.Dxa2 (sonst kommt -a1D) 53.-Sg4+ 54.Kh3 Dg1
nebst Matt oder Damenverlust für Weiss.
Carlsen spielte die gesamte
Partie, als ob er unbedingt gewinnen musste, das verstehe wer will. In
einem Schaukampf ist „lieber verlieren als remis“ vielleicht noch
angebracht, aber in einem WM-Match?
Nach der Partie sollten die Spieler, wie
offenbar nach jeder anderen Partie, zunächst kurz Fragen von u.a.
norwegischem und russischem Fernsehen beantworten. Oft ist das erst nach
der Pressekonferenz „für alle“ (auch Internet-Zuschauer, hier nur
zahlende AGON-Kunden) angesetzt, hier davor. Da spielte vielleicht eine
Rolle, dass es in Norwegen und erst recht in Russland bereits weit nach
Mitternacht war. Wie dem auch sei: Karjakin war dazu bereit, Carlsen
nicht. Carlsen ging sofort zur Pressekonferenz, musste offenbar ca. zwei
Minuten warten – Carlsen-Manager Espen Agdestein betrachtete das als
Zumutung und wollte ohne Karjakin beginnen. Und dann:
Carlsen machte eine abwertende Geste und verschwand! Dieses Foto vom russischen Schachverband, im Video (chess24 hat zwei im Artikel)
ist es besser zu sehen. Das kann Konsequenzen haben – laut Regelwerk
kostet es 10% seines Preisgelds, zugunsten von jeweils zur Hälfte AGON
und FIDE. Ob diese Regel angewendet wird, muss man abwarten –
gelegentlich gilt ja „es gibt Regeln für andere/alle, und Ausnahmen für
Carlsen“. Wie dem auch sei, es gab dann eine Pressekonferenz mit
Karjakin: