22/11/2016

Carlsen - Karjakin Partie 8 Schach WM 2016 | Großmeister-Analyse, 0 : 1

Quelle:Schachticker
Achte Partie: Auch Carlsen spielte mal wieder 1.d4, in diesem Match erstmals seit dem Trompowsky-Experiment in der ersten Partie. Wieder wurde es eine Nebenvariante: 1.d4 Sf6 2.Sf3 (2.Lg5) 2.-d5 3.e3 (ähm äh, natürlich kann man so spielen) 3.-e6 4.Ld3 c5 5.b3 – was ist das denn?? So spielte zuerst Johannes Zukertort anno 1886, daher ist es offenbar das Zukertort-System. So spielte (das erwähnte Daniel King) des öfteren Artur Jussupow. So spielte zuletzt auf hohem Niveau Nakamura 2013 in London gegen Gelfand, allerdings etwas „aus Versehen“ (er begann mit 1.b3). Carlsens 8.dxc5 deutete an, dass Jussupow – der hier generell Se5 und später f4 spielte – zwar eine Carlsen-Videoserie für chess24 produzierte aber wohl doch nicht heimlicher Carlsen-Sekundant ist.

Genug zur Eröffnung, objektiv nicht allzu vielversprechend für Weiss, aber das muss ja auch nicht unbedingt sein (denkt jedenfalls Carlsen). Nach 16 Zügen dachte Carlsen vielleicht „vorwärts geht nicht, also rückwärts“: 17.De1 und 18.Lf1. Das ging noch, aber 19.Sb5 (doch wieder vorwärts, allerdings – da die Musik am Königsflügel spielen könnte – ins Abseits) erlaubte 19.-Dg5 mit eventuell schwarzem Königsangriff. So spielte Karjakin nicht, es war auf die gesamte Partie bezogen eher ein „Detail“. Bunt wurde es in der Zeitnotphase – Carlsen spekulierte vielleicht bei eigener Zeitnot auf Karjakins Zeitnot: 31.h3 statt 31.Txd7 (Remisabwicklung) ging noch, 35.c5??! (zweites Bauernopfer) war definitiv zu viel. Aber dann gab Karjakin das „Kompliment“ zurück: bei 37.-Dd3? (37.-Da4!) übersah er, jedenfalls nach eigener Aussage hinterher, nicht den taktischen Trick 38.Sxe6+, sondern dass Weiss (nach der Zeitkontrolle) mit 41.e4 (nur so) angesichts schwarzer Schwächen am Königsflügel wieder Ausgleich hat: so beschäftigt er den Gegner und kann a4-a3-a2-a1D verhindern.

Nach der Zeitkontrolle dachte ich eigentlich „es war Mitternacht, das wird remis, also Bettzeit“ und blieb dann doch bei der Liveübertragung – und Carlsen, der nach wie vor oder wieder unbedingt gewinnen wollte, schaffte es die Partie doch noch zu verlieren! 44.Dc6 (statt 44.Dg6+ mit wohl Dauerschach) ging noch, und später hatte Weiss gar am Königsflügel Mehrbauern – das lag allerdings daran, dass Karjakin auf 48.-Sxe4 (total ausgeglichen) verzichtete und mit 48.-Sd3 noch was versuchte ohne dabei etwas zu riskieren. Er hatte ja noch einen a-Freibauern – Carlsen musste aufpassen und genau spielen! Am Ende kippte die Partie innerhalb weniger Züge nochmals: 49.Da5?! Dc5! 50.Da6 Se5 (da steht der Springer prima, und der weisse Lg2 verflucht den noch lebenden Bauern auf e4) 51.De6? h5! (nur so!) 52.h4? a2! (nur so!). Nun kann Schwarz den a-Bauern über Bord werfen, Carlsen gab auf – angesichts von 53.Dxa2 (sonst kommt -a1D) 53.-Sg4+ 54.Kh3 Dg1 nebst Matt oder Damenverlust für Weiss.

Carlsen spielte die gesamte Partie, als ob er unbedingt gewinnen musste, das verstehe wer will. In einem Schaukampf ist „lieber verlieren als remis“ vielleicht noch angebracht, aber in einem WM-Match?

Nach der Partie sollten die Spieler, wie offenbar nach jeder anderen Partie, zunächst kurz Fragen von u.a. norwegischem und russischem Fernsehen beantworten. Oft ist das erst nach der Pressekonferenz „für alle“ (auch Internet-Zuschauer, hier nur zahlende AGON-Kunden) angesetzt, hier davor. Da spielte vielleicht eine Rolle, dass es in Norwegen und erst recht in Russland bereits weit nach Mitternacht war. Wie dem auch sei: Karjakin war dazu bereit, Carlsen nicht. Carlsen ging sofort zur Pressekonferenz, musste offenbar ca. zwei Minuten warten – Carlsen-Manager Espen Agdestein betrachtete das als Zumutung und wollte ohne Karjakin beginnen. Und dann: 
Carlsen machte eine abwertende Geste und verschwand! Dieses Foto vom russischen Schachverband, im Video (chess24 hat zwei im Artikel) ist es besser zu sehen. Das kann Konsequenzen haben – laut Regelwerk kostet es 10% seines Preisgelds, zugunsten von jeweils zur Hälfte AGON und FIDE. Ob diese Regel angewendet wird, muss man abwarten – gelegentlich gilt ja „es gibt Regeln für andere/alle, und Ausnahmen für Carlsen“. Wie dem auch sei, es gab dann eine Pressekonferenz mit Karjakin: