05/11/2014

Nabu Umweltpolitik

Berlin, 05. November 2014

Sehr geehrte Damen und Herren,

"Blamage, Abschied vom Klimavorreiter, lahme Ente" - von vielen Seiten kam Kritik am neuen Klimaschutzpaket der Europäischen Union. Auch vom NABU. Denn was sich beim ersten Hinsehen ganz passabel anhören mag - eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um mindestens 40 Prozent bis 2030 - ist in Wirklichkeit eine große Enttäuschung. Einerseits weil Deutschland noch weitergehende Vereinbarungen hätte aushandeln müssen. Andererseits ist vor allem die Erkenntnis bitter, dass ambitionierter Klimaschutz, ein verbindliches Energieeffizienzziel und der zügige Ausbau der erneuerbaren Energien noch immer als Belastungen für die wirtschaftliche Entwicklung der EU dargestellt werden.

Während die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten die täglichen Schlagzeilen beherrschen, gelingt es vielfach nicht, daraus die Schlussfolgerungen abzuleiten, dass Europa schnellstmöglich und umfassend unabhängig von Energieimporten werden sollte. Jahr für Jahr überweisen die Bürger hunderte von Milliarden Euro für Erdöl, Erdgas und Kohle in mitunter nicht lupenreine Demokratien wie Russland, Saudi-Arabien oder Kolumbien. Geld, das die EU in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gut selbst gebrauchen könnte. Jede Gebäudesanierung, jede installierte Solaranlage und jede Auto-Spritspartechnik spült Geld in heimische Handwerks- und Zuliefererbetriebe.

Diese Botschaft im Vorfeld der nächsten Klimagipfel in Lima und Paris in den Köpfen der Politik zu verankern, wird eine wichtige Aufgabe sein. Auch die Tatsache, dass man Klimaschutzbemühungen nicht auf die Zeit nach 2030 verschieben darf, kann nicht oft genug betont werden. Immerhin: Niemand wird Deutschland daran hindern, national über die vereinbarten Ziele hinaus mehr für den Klimaschutz zu tun. Ein wirklicher Gewinner ist nur, wer neben der Pflicht auch bei der Kür eine gute Figur macht.

Ihr Leif Miller
NABU-Bundesgeschäftsführer



Inhalt

1. NABU-Bewertung der Jagdgesetze deckt ökologische Defizite auf
2. UN-Konferenz zur Bonner Konvention in Quito könnte Meilenstein für Zugvogelschutz werden
3. Nationales Hochwasserschutzprogramm beschlossen - mehr oder weniger Raum für die Flüsse?
4. EU fährt ohne Ambitionen zur Weltklimakonferenz nach Lima
5. Umweltverbände fordern grundlegende Novellierung des Düngerechts

NABU-Zahl des Monats November:
1130 illegal getötete Greifvögel in Deutschland dokumentiert



Aktuelle Terminhinweise

Dialogforum Kreislaufwirtschaft: Wertstoffgesetz und Kunststoffrecycling
26. November 2014, 11 Uhr, Berlin
Zum Programm und zur Anmeldung

Fachgespräch "Maritime Abgasrunde - Möglichkeiten zur Reduzierung der Luftbelastung bei Schiffen"
10. Dezember 2014, 11 Uhr, Hamburg
Weitere Informationen per
E-Mail: Soenke.Diesener@NABU.de oder Telefon: 030.284984-1625

1. NABU-Bewertung der Jagdgesetze deckt ökologische Defizite auf

Anlässlich der aktuellen Debatten um die Novellierung der Landesjagdgesetze in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen hat der NABU die Jagdgesetze im Bund und in allen 16 Bundesländern einer naturschutzfachlichen Bewertung unterzogen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Die derzeitigen jagdgesetzlichen Regelungen des Bundes und der Länder erfüllen mit Ausnahme von Berlin und Rheinland-Pfalz noch nicht einmal zehn Prozent der NABU-Forderungen hinsichtlich einer ökologischen Ausrichtung der Jagd. Derzeit unterliegen in fast allen Bundesländern gut 150 Tierarten dem Jagdrecht. Davon ist fast jede dritte Art nach dem Naturschutzgesetz streng geschützt. Die Jagd findet das ganze Jahr über statt, denn vor allem Wildschweine und Füchse, aber auch Waschbären und Wildkaninchen, haben in einigen Bundesländern das ganze Jahr über Jagdzeit.

Immerhin werden aus NABU-Sicht durch die laufenden Reformen in einigen Bundesländern die Jagdgesetze verbessert. In Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sollen künftig deutlich weniger Arten dem Jagdrecht unterliegen, der Tierschutz wird stärker berücksichtigt, die Baujagd soll nur noch eingeschränkt möglich und Totschlagfallen nicht mehr zulässig sein. Zum Schutz der Umwelt, der Wildtiere und des Menschen soll zudem der Einsatz von bleifreier Büchsenmunition in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland und in Schleswig-Holstein verpflichtend werden. In allen anderen Bundesländern darf jedoch nach wie vor mit bleihaltiger Munition geschossen werden.

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NABU-Bewertung der Jagdgesetze sowie NABU-Position zur Jagd

2. Konferenz zur Bonner Konvention in Quito könnte Meilenstein für Zugvogelschutz werden

Wandernde Tierarten sind doppelt gefährdet. Neben den Gefahren in ihrem Brutgebiet leiden sie auch unter Verfolgung und Lebensraumverlust auf der Zugstrecke und im Überwinterungsgebiet. Nach den kürzlich von der Bundesregierung vorgestellten aktuellen Zahlen nimmt fast die Hälfte aller in Deutschland brütenden Zugvögel deutlich ab. Damit gehören Zugvögel zu den am stärksten bedrohten Arten in Deutschland. Darum hat die aktuelle Bundesregierung den verbesserten Schutz von Zugvögeln entlang ihrer Wanderrouten als Ziel in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Eine wichtige Möglichkeit, sich für den Schutz der Zugvögel einzusetzen, hat die Bundesregierung auf der vom 4. bis 9. November in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito stattfindenden Vertragsstaatenkonferenz der UN-Konvention zum Schutz wandernder Tierarten (CMS), auch bekannt als Bonner Konvention.

Der NABU erwartet von der Bundesregierung, sich auf der Vertragsstaatenkonferenz klar für die Verabschiedung einer Reihe wegweisender Beschlüsse einzusetzen und deren Umsetzung aktiv zu fördern. Es geht um einen Aktionsplan zum Schutz ziehender Landvögel, Richtlinien für die Naturverträglichkeit erneuerbarer Energien und Plastikmüll im Meer. Der NABU fordert von der Bundesregierung auch, ein weltweites Ende für die Jagd mit giftiger Bleimunition und ein weltweites Verbot für die Anwendung des für Geier tödlichen Arzneimittels Diclofenac in der Tiermedizin zu unterstützen.

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Näheres über die Vertragsstaatenkonferenz

3. Nationales Hochwasserschutzprogramm beschlossen - mehr oder weniger Raum für die Flüsse?

Das Nationale Hochwasserschutzprogramm (NHWSP) war das zentrale Thema der Umweltministerkonferenz vom 22.-24.10.2014 in Heidelberg. Bund und Länder haben sich dabei auf eine Liste von prioritären Hochwasserschutzmaßnahmen geeinigt, die in einem Zeitraum von mindestens 20 Jahren umgesetzt werden sollen. Darunter sind 29 Deichrückverlegungen, die eine Erweiterung des bundesweiten Überschwemmungsgebietes um 21.276 Hektar vorsehen. Hinzu kommen noch Flächen von 1.667 Hektar, die bei größeren Hochwasserereignissen als gesteuerte Polder dienen sollen, die aber nicht wirklich wieder an das natürliche Überflutungsregime angeschlossen werden. Der dritte Baustein des Programms ist die Beseitigung sogenannter "Schwachstellen", also z.B. der Ausbau von Deichbereichen mit überregionaler Bedeutung.

Bereits im letzten Jahr hatten sich die Umweltminister unter dem Eindruck der Frühsommerhochwasser zu einer Sonderkonferenz getroffen. Eine zentrale Prämisse lautete damals "Flussräume sollen ausgeweitet werden". Die Bilanz des nun beschlossenen Programms zeigt jedoch leider nicht die angekündigte Priorität für den Hochwasserschutz bei der Flächennutzung. Fast eine Million Hektar der ursprünglichen Aue stehen aktuell nicht mehr für Überflutungen zur Verfügung. Basierend auf den Daten zum Auenzustandsbericht entsprechen die nun vorgesehenen Deichrückverlegungen einer Vergrößerung der Aue um nicht einmal 5 Prozent. Kritisch zu sehen ist dabei vor allem, dass sich die Planungen ausschließlich auf die Ströme Donau, Elbe, Oder, Rhein und Weser beschränken. Das große Potential an mittleren und kleineren Flüssen wurde nicht berücksichtigt, obwohl auch das eine Forderung im Beschluss der Sonderumweltministerkonferenz vor einem Jahr war.

Unklar ist noch, wie das NHWSP langfristig finanziert werden soll. Insgesamt belaufen sich die geschätzten Kosten für alle Maßnahmen auf ca. 5,4 Milliarden Euro. Die Bundesregierung konnte verbindlich jedoch nur 1,2 Milliarden Euro für die nächsten 10 Jahre aus dem "Sonderrahmenplan präventiver Hochwasserschutz" zusagen. Die essenzielle Frage der Finanzierung ist also weitgehend unbeantwortet geblieben. Vergleicht man diese Zahlen mit den rund 20 Milliarden Euro für die Schäden der Hochwasser 2003 und 2013 im Donau- und Elbegebiet, stellt sich die Frage, welchen Stellenwert der vorsorgende Hochwasserschutz eigentlich haben sollte, wo doch Investitionen in selbigen als hochrentabel und volkswirtschaftlich sinnvoll gelten. Zu hoffen bleibt daher, dass das Programm noch erweitert wird und die jetzige Maßnahmenliste nur der Anfang ist.

Mehr zum Thema

Positionspapier der Umweltverbände zum NHWSP
Positionspapier "Flussauen zurückgewinnen - natürlichen Wasserrückhalt verbessern"
Maßnahmenliste-NHWSP
Weitere Informationen zum Thema Hochwasser

4. EU fährt ohne Ambitionen zur Weltklimakonferenz nach Lima

Es hätte ein deutliches Signal in Richtung internationaler Staatengemeinschaft auf dem Weg zu einem neuen Weltklimaabkommen werden sollen, das vom Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union vom 23. und 24. Oktober in Brüssel hätte ausgehen sollen. Doch die vom NABU befürchtete Blamage für Deutschland und die EU ist eingetreten. Was die Bundeskanzlerin als Fortschritt in der EU-Energie- und Klimapolitik verkauft, ist in Wahrheit nichts weiter als "business-as-usual". Derart ambitionslos, kann alles so weitergehen wie bisher. Wäre da nicht die fortschreitende Erderwärmung. Doch die EU hat ihre Möglichkeit mit wehenden Fahnen voranzugehen nicht wahrgenommen - bislang.

Wollen die EU-Mitgliedsstaaten und Deutschland glaubhaft den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf maximal 2°C begrenzen, müssen aus NABU-Sicht die Staats- und Regierungschefs jetzt nachlegen. Denn nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel. So müssen auf der nächsten Weltklimakonferenz im peruanischen Lima die Rahmenbedingungen für ein neues, weltweit geltendes Klimaschutzabkommen getroffen werden, dass 2015 in Paris beschlossen werden soll. Um das enttäuschende Signal vom EU-Gipfel zu stärken, fordert der NABU von Deutschland, seiner Verantwortung durch eine ambitionierte und verbindliche nationale Energie- und Klimapolitik gerecht zur werden. Anfang Dezember gibt es dazu Gelegenheit. Dann sollen vom Bundeskabinett der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz und das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 verabschiedet werden. Aus den Beschlüssen muss zudem deutlich werden, dass mittelfristig die Verbindlichkeit über ein nationales Energieeffizienzgesetz geregelt wird. Gleichzeitig muss Deutschland die EU selbst und die anderen Mitgliedsstaaten zur schnellen Ratifizierung der zweiten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls, die bis 2020 gilt, bewegen. Und spätestens mit dem G7-Gipfel im Juni 2015 in Deutschland muss Angela Merkel zu ihrer Rolle als Klimakanzlerin zurückfinden.

Mehr zum Thema

NABU-Pressemitteilung vom 3. November 2014
NABU-Pressemitteilung vom 22. Oktober 2014
Weitere Informationen und frühere Pressemitteilungen

5. Umweltverbände fordern grundlegende Novellierung des Düngerechts

Zusammen mit zahlreichen anderen Umweltverbänden hat der NABU zehn Forderungen zur Novelle der Düngeverordnung vorgelegt. Im Vordergrund steht dabei die Notwendigkeit einer deutlichen Reduzierung der Nitrat- und Phosphatbelastungen des Grundwassers, um eine Trendumkehr im Wasserschutz zu erreichen. Denn angesichts eines drohenden Vertragsverletzungsverfahrens aus Brüssel ist die Bundesregierung in der Pflicht, möglichst bald einen Verordnungsvorschlag für einen besseren Trink- und Grundwasserschutz gemäß der EU-Nitratrichtlinie vorzulegen.

Hauptinstrument zum Schutz des Wassers ist nach Ansicht der Verbände eine vollständige Input-Output-Bilanz für alle Agrarbetriebe. Mit dieser Hoftorbilanz könnten gezielt Betriebe ermittelt werden, die besonders hohe Überschüsse an Nitrat und Phosphat verursachten. Intensive Tierhaltungsbetriebe ohne ausreichend eigene Flächen für die Gülle-Ausbringung müssten so zu einem strengeren Umwelt- und Wasserschutz verpflichtet werden. Nötig ist zudem eine bundesweite Datenbank, in der Gülle-Importe aus anderen Ländern ebenso erfasst würden wie Nährstofftransporte innerhalb Deutschlands aus Ställen und Biogasanlagen. Darüber hinaus fordern die Verbände, in sensiblen Regionen strengere Obergrenzen für die Stickstoffausbringung in Höhe von 130 Kilogramm pro Hektar zu ermöglichen, längere Sperrfristen für die Ausbringung von Dünger in den Wintermonaten einzuführen sowie den Verstoß gegen maximale Stickstoffüberschüsse mit konkreten Sanktionen zu versehen.

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Eckpunktepapier zum Wasserschutz anlässlich der Dünge-Novelle

NABU-Zahl des Monats November:

1130 illegal getötete Greifvögel in Deutschland dokumentiert

1130 illegal getötete Greifvögel sind in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren gemeldet worden - die Dunkelziffer ist nach wie vor groß. Das geht aus einer Anfrage des NABU an die Umweltministerien der Länder und gesammelten Daten des Komitees gegen den Vogelmord hervor. Unter den Opfern sind zum großen Teil Mäusebussarde, gefolgt von Habichten und Rotmilanen. Aber auch seltene Arten wie Seeadler, Uhus, Wanderfalken sowie ein Schreiadler und ein Gänsegeier gehören dazu.

Die meisten Fälle illegaler Greifvogelverfolgung wurden in Nordrhein-Westfalen nachgewiesen. Seit Jahren betreibt die im Umweltministerium angesiedelte Stabsstelle Umweltkriminalität dort ein landesweites Monitoring. Weitere "Hochburgen" der Greifvogel-Wilderei sind Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg. Die dokumentierten Fälle stellen allerdings nur die Spitze des Eisberges dar, denn der Großteil der Taten bleibt unentdeckt.

Mit der Wahl des Habichts zum "Vogel des Jahres 2015" will der NABU die illegale Greifvogelverfolgung stärker ins Licht der Öffentlichkeit rücken. In einer Gemeinschaftsaktion mit dem Komitee gegen den Vogelmord rufen NABU und sein bayerischer Partner LBV dazu auf, Verdachtsfälle illegaler Greifvogelverfolgung zu melden. Ein zentrales Aktionstelefon ist unter 030-284 984-1555 geschaltet (werktags von 9 bis 18 Uhr und an Feiertagen sowie Wochenenden von 15 bis 18 Uhr). Zurückliegende Fälle können über ein Online-Meldeformular erfasst werden.

Mehr zum Thema

Weitere Informationen und zum Leitfaden "Illegale Greifvogelverfolgung"
Meldeaktion Greifvogelverfolgung (Telefon und Online)

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