Medien-Information

20. November 2013

„Wir brauchen mehr Qualität für unsere
Wälder“ - Rede von Umweltminister Robert Habeck anlässlich einer
Landtagsdebatte am 20. November 2013
Sperrfrist: Es gilt das gesprochene
Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr
geehrte Damen und Herren,
der Orkan Christian hat rund 500.000
Kubikmeter Holz umgerissen – wie Streichhölzer sind bis zu 100-jährige Bäume
einfach umgeknickt. Es sind so viele Bäume verloren gegangen wie sonst in einem
Jahr in Schleswig-Holstein geschlagen werden. In einzelnen Regionen ist die
Zerstörung noch viel größer. Im Norden des Landes sind vier oder gar fünf
Jahreseinschläge dem Sturm zum Opfer gefallen. Christian hat das getan, was wir
nie wieder machen wollten: Kahlschläge.
Jahrelange Arbeit ist so zunichte
gemacht worden. Auf den rasierten Flächen wird es schwerer, den Wald naturnah
umzubauen - der Witterungsschutz der alten Bestände fehlt. Es wird viele
Jahrzehnte dauern, bis dort, wo nun nur noch abgeknickte Baumstämme stehen,
wieder richtiger Wald sein wird. Die Wiederaufforstung wird in den kommenden
Jahren eine zentrale Aufgabe sein.
Nach Christian heißt, die Waldpolitik
der nächsten Jahre neu zu eichen.
Bringt man es auf einen Nenner, dann
lautet dieser: Qualität statt Quantität.
1.
Wir wollen mehr Qualität für
unsere Wälder, damit sie den Folgen des Klimawandels besser standhalten. Mehr
Laubbäume, mehr heimische Baumarten. Dafür verdoppeln wir den Ansatz für
Waldumbau in der kommenden ELER-Förderperiode (Fördermittel für den ländlichen
Raum) auf 5 Millionen Euro. Die notwendigen Umbaumaßnahmen nach Sturmschäden
können damit unterstützt werden.
1.
Wir wollen mehr Naturnähe in
unseren Wäldern. Als Lebensraum für Tiere und Pflanzen soll der Naturwaldanteil
erhöht werden. Damit steigt die ökologische Qualität unserer Wälder. Die
Vorbereitungen hierfür laufen. Wir werden – nach der Beschlussfassung des
Landtags heute – durchstarten und ein verbindliches Handlungskonzept zur
Erhöhung des Naturwaldanteils in Schleswig-Holstein
erarbeiten.
2.
Wir wollen mit der
Jagdzeitenverordnung die Ruhezeit für die Tiere im Wald erhöhen. Die Auswertung
der Anhörung befindet sich im Endstadium. Wir werden Tierarten mit einem
ungünstigen Erhaltungszustand künftig nicht mehr zur Bejagung freigeben. Für
die übrigen Wildarten, insbesondere für das Schalenwild, werden wir die
Jagdzeiten synchronisieren. Mit Beginn des neuen Jagdjahres, also am 1.4. 2014,
werden diese neuen Regeln in Kraft treten.
Meine Damen und
Herren,
Schleswig-Holstein ist waldarm: Es ist
das waldärmste Bundesland. Das war nicht immer so. Im Mittelalter war noch mehr
als die Hälfte des heutigen Schleswig-Holsteins mit Wald bedeckt. Noch im Jahr
1460 war Dithmarschen so dicht bewaldet, dass ein Eichhörnchen von Meldorf bis
zur Landesgrenze von Baum zu Baum springen konnte. Eichen und Buchen waren die
dominierenden Baumarten, dazu je nach Standort ein paar Birken. Nadelhölzer
wurden erst vor 250 Jahren eingeführt.
Vom Mittelalter an war die
Waldgeschichte eine vom Rückgang des Waldes. Schiffsbau, Landwirtschaft,
Köhlerei, Deichbau, Kriegszerstörungen und Straßen- bzw. Siedlungsbau – der
Mensch sorgte dafür, dass es immer weniger Wald wurde. Dieser Raubbau wurde
glücklicherweise gestoppt. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts nimmt der
Waldanteil wieder zu. Aber von einem extrem niedrigen Niveau aus und langsam –
sehr langsam, auch weil wir in Schleswig-Holstein einen hervorragenden Standort
für Ackerbau und Viehwirtschaft haben.
Qualität statt Quantität bedeutet
nicht, dass wir die Bemühungen aufgeben, den Neuwaldanteil zu erhöhen. Die
Landesregierung möchte mehr Wald. Jeder einzelne Baum, der zusätzlich gepflanzt
wird, ist kostbar, und ich freue mich über jede entsprechende
Initiative.
Aber wir müssen ehrlich sein: Das
Ziel, dass 12 Prozent der Landesfläche von Wald bedeckt sein sollen, ist ein
gutes Ziel und es ist richtig dieses immer wieder anzuvisieren. Aber, in den
kommenden Jahrzehnten werden wir es nicht erreichen. Das zuzugeben, heißt nicht,
es nicht zu wollen. Es heißt nur, dass man ehrlich damit umgeht.
12 Prozent Waldanteil bedeutet ca.
30.000 Hektar zusätzlichen Wald - jährlich 1000 Hektar jedes Jahr die nächsten
30 Jahre!
Neuwaldbildung findet in aller Regel
auf Ackerflächen statt. Ackerflächen kosten
mittlerweile mindestens 30.000 Euro/Hektar, örtlich aber auch noch erheblich mehr. Die Kosten für die Aufforstung betragen ca. 5.000 – 10.000 Euro/Hektar einschl. Kulturpflege. Eine Erhöhung des Waldanteils auf 12 Prozent kostet nach heutigen Preisen also bis zu 1,2 Milliarden Euro.
mittlerweile mindestens 30.000 Euro/Hektar, örtlich aber auch noch erheblich mehr. Die Kosten für die Aufforstung betragen ca. 5.000 – 10.000 Euro/Hektar einschl. Kulturpflege. Eine Erhöhung des Waldanteils auf 12 Prozent kostet nach heutigen Preisen also bis zu 1,2 Milliarden Euro.
Es gab in den letzten 20 Jahren ein
einziges Jahr, in dem die Waldfläche um 1000 Hektar zunahm. Es war das Jahr
1993. Seitdem hat es keine Landesregierung geschafft, hier entscheidende
Fortschritte zu erreichen.
Der Hauptzuwachs in der Fläche wird
durch Kompensationsmaßnahmen entstehen. Eingriffe in den Wald müssen kompensiert
werden, der Flächenumfang richtet sich nach Alter bzw. funktionaler Wertigkeit
des Waldes. Für die Höchstspannungsleitung Krümmel-Görries wurden insgesamt rund
80 Hektar Wald gerodet und es wurden bzw. werden 240 Hektar Ersatzwald
geschaffen. Auch für das vieldiskutierte Projekt in Lütjenholm wurde Ersatz
geschaffen, und zwar im Verhältnis 1:1 – hier wächst zukunftsfähiger
Mischwald. Ausgleich von Eingriffen ist in unser aller Interesse.
Meine Damen und
Herren,
der Wald ist für uns Rückzugs- und
Kontemplationsraum, er ist Imaginationsraum und Sehnsuchtsort.
Und, der Wald hat einen enormen
ökologischen Wert: Der Wald und vor allem auch der Waldboden ist ein höchst
effizienter CO2-Speicher. 10-20 Tonnen CO2/pro Jahr/pro Hektar speichert
Wald. Nach der
Kohlenstoffstudie Forst und Holz 2012 banden die Wälder in Schleswig-Holstein
2002 rund 47 Millionen Tonnen Kohlenstoff.
Wir brauchen den Wald, wir brauchen
ihn: als kostbaren Lebensraum für Arten, als wunderbaren Erholungsraum für
Menschen,als Schützer des Klimas und natürlich als Lieferanten des wertvollen
und nachhaltig erzeugten Rohstoffes Holz.
Und deswegen möchte diese
Landesregierung den Wald bewahren, stark machen – und ja – sie will auch mehr
Wald.
Der Wald ist ein besonderer Ort. Er
verdient besondere politische Unterstützung. Über die breite Bereitschaft, die
zu gewährleisten, wie heute vorgetragen wurde, freue ich
mich.