20/09/2019

Diese Doc hat uns gerade erreicht. Zeigt dass aus “SpaceForNature“ Platz für Produktion werden soll.

 Quelle > DIE ZEIT, Klimaschutzausgabe

Lieber Herr Paukstadt,
 
besondere Ereignisse erfordern besondere Maßnahmen, und heute steht uns ein solches Ereignis bevor: Mehrere Zehntausend Hamburgerinnen und Hamburger wollen sich gegen Mittag am Jungfernstieg treffen, um mit der »Fridays for Future«-Bewegung für besseren Klimaschutz zu demonstrieren. Um fünf vor zwölf läuten die Glocken der großen Kirchen, fünf Minuten später macht sich der Demo-Zug dann auf den Weg: durch die Mönckebergstraße auf den Glockengießerwall und in einer großen Runde zurück. Anders als bisher rufen die Organisatoren nicht nur Schülerinnen und Schüler auf, die Schule zu schwänzen, sondern auch Erwachsene, nicht zur Arbeit zu gehen. Wie es aussieht, könnte dies die größte Demonstration werden, die Hamburg in den letzten Jahren gesehen hat – und das ist jedenfalls zu hoffen, auch eine der friedlicheren.
Als Journalisten stehen wir Demonstrationen natürlich grundsätzlich neutral gegenüber. Trotzdem haben wir uns entschlossen, die heutige Ausgabe der „Elbvertiefung“ ganz den Klimaprotesten zu widmen. Nicht weil wir Werbung für die Demo machen wollten, auch wenn wir das Ziel, die Welt noch eine ganze Weile vor dem Untergang zu bewahren, durchaus teilen. Sondern weil eine Veranstaltung dieser Größe eine Menge Fragen aufwirft, zumal dann, wenn sie mit einem Streikaufruf verbunden ist. Meine Kollegin Annika Lasarzik hat sich bei den großen Hamburger Unternehmen nach deren Umgang mit streikenden Angestellten erkundigt – auch bei solchen Firmen, deren Geschäftsinteresse mit den Zielen der Demo nicht vereinbar ist, weil sie etwa ein Kohlekraftwerk betreiben, Flugzeuge bauen oder ihr Geld mit Kreuzfahrtschiffen verdienen. Verliert ein Moorburg-Mitarbeiter seinen Job, wenn er für Klimaschutz demonstriert? Die Antwort aus dem Hause Vattenfall war jedenfalls so kunstvoll-diplomatisch gedrechselt, dass wir nicht sicher sind, ob die Verfasser sie selbst verstanden haben. Und dann stellt sich noch die Frage, ob ein Streik überhaupt ein Streik ist, wenn er in der Mittagspause stattfindet – unter anderem darüber haben wir mit einem Streikforscher gesprochen
Aus naheliegenden Gründen raten die Veranstalter dazu, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Demo zu fahren. Als wir beim HVV nachfragten, ob man plane, aus symbolischen Gründen die Fahrpreise zu erlassen, war die Antwort hanseatisch klar: nein. Bleibt nur zu hoffen, dass nicht zu viele U-Bahn- und Bus-Fahrer in den Ausstand treten.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Ihr
Florian Zinnecker