Die #EU-Agrarpolitik wird von den ewig Gestrigen bestimmt – zum Schaden der Umwelt, aber auch der Landwirte. Der Gastbeitrag von @MartinHaeusling , Biobauer und agrarpolitischer Sprecher der #Grünen im #Europaparlament. https://t.co/hjvjljPA9N— FrankfurterRundschau (@fr) 4. August 2019
Die
EU-Agrarpolitik wird von den ewig Gestrigen bestimmt – zum Schaden der
Umwelt, aber auch der Landwirte. Der Gastbeitrag von Martin Häusling,
Biobauer und agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament.
Hauptergebnis
der letzten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) 2013 war
das in den Verhandlungen schwer umkämpfte sogenannte „Greening“, welches
die landwirtschaftliche Praxis etwas nachhaltiger machen sollte. Seit
der Einführung haben allerdings viele Gutachten und Studien belegt, dass
diese Maßnahmen nicht viel für den Klima-, Arten- und Ressourcenschutz
bringen. Zu nennen wären das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats
des Agrarministeriums im April 2018 und die Kritik durch den
Europäischen Rechnungshof 2018. Die Analysen belegen zudem, dass die
angeblich einkommenstabilisierende Funktion der Zahlungen den Landwirten
weder einen angemessenen Lebensstandard sichern noch das Aufgeben
vieler Betriebe aufhalten kann. Auch die öffentliche Konsultation der
Europäischen Kommission zur GAP ergab, dass die europäische
Zivilgesellschaft deutlich mehr Klima-, Umwelt- und Tierschutz als
wichtige Pfeiler einer erneuerten GAP sehen möchte.
Was die
EU-Kommission dann Ende 2017 für die aktuelle GAP-Reform vorgelegt hat,
war eindeutig nicht zufriedenstellend. Trotz grüner Rhetorik und einer
angeblich „grünen Architektur“ nahm der Vorschlag weder die
wissenschaftlichen Empfehlungen auf noch die Wünsche der Europäer ernst.
Denn erstens sollen die Mitgliedstaaten jetzt alles selber entscheiden,
was zu einer Renationalisierung und zu einem Unterbietungswettbewerb
bei Umweltauflagen führen wird. Und zweitens ist schlicht nichts konkret
vorgegeben, nichts definiert, nichts verbindlich. Auch das aktuell
veröffentlichte Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für
Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz beim BMEL
zur effektiven Gestaltung der Agrarumwelt- und Klimaschutzpolitik
äußert die Befürchtung, dass ein Unterbietungswettlauf die Folge sein
könnte.
Ausschuss ignoriert Empfehlungen der Wissenschaft
Während
der Umweltausschuss im Europäischen Parlament mit seiner Stellungnahme
noch versucht hat, verbindliche Ziele und Vorgaben bezüglich
ökologischer Mindeststandards einzuführen, haben sich im Beschluss des
Agrarausschusses leider die ewig Gestrigen durchgesetzt. Die Beschlüsse
verwässern den Kommissionsvorschlag noch einmal. Der Ausschuss ignoriert
damit völlig die Empfehlungen aus der Wissenschaft, die hier in den
Sitzungen der letzten Jahre ausführlich diskutiert wurden. Es kann also
niemand sagen, er hätte es nicht gewusst.
Die in der
vergangenen Legislatur beschlossene Position des Agrarausschusses, die
nach Ansicht der Grünen-Fraktion dringend noch einmal auf den Prüfstand
kommen muss, beinhaltet unter anderem, dass 60 Prozent der Zahlungen
weiterhin ohne jegliche ökologische Auflagen getätigt werden. Auch soll
es nur ein sehr niedriges Budget für ökologische Leistungen geben –
inhaltlich und finanziell weniger als das bestehende „Greening“ – und
diese sollen auch nicht verbindlich sein. Sogar die gesetzlichen
Mindestvoraussetzungen für den Erhalt von Direktzahlungen sollen
verwässert werden. Weit und breit keine Maßnahmen in Sicht, die zum
Klimaschutz und zum Erhalt der Biodiversität beitragen, wie
beispielsweise die Erhaltung von Dauergrünland, Torfgebieten und
ökologischen Vorrangflächen. Darüber hinaus ist keinerlei Anpassung oder
Kappung der Zahlungen bei Großbetrieben geplant. Eine gerechtere
EU-weite Angleichung der GAP-Mittel für die Länder, die aktuell noch
deutlich weniger bekommen, wurde ebenfalls abgelehnt.
Damit tut man den Bauern keinen Gefallen
Eine
derart rückwärtsgewandte Agrarpolitik ist absolut nicht mehr zeitgemäß.
Damit tut man den Bauern in Europa auf mittlere Sicht auch keinen
Gefallen, denn man bereitet sie nicht auf die aktuellen
Herausforderungen der Zukunft vor. Außerdem nimmt man den Agrarzahlungen
so jegliche zivilgesellschaftliche Akzeptanz. Das können wir Grüne im
Europaparlament nicht mittragen. Wir fordern die frisch gewählte
Kommissionspräsidentin von der Leyen auf, sich für einen neuen Vorschlag
zur Agrarpolitik einzusetzen.
Dieser
sollte konsequent den ökologischen Landbau als Leitbild festlegen und
für die Zeit der Transformation eine Bindung der Zahlungen an hohe
Umwelt- und Tierschutzstandards verbindlich vorgeben, so wie es auch der
Beirat für Agrarpolitik beim BMEL in seinem Gutachten fordert. Eine
konsequente Förderung zukunftsorientierter Betriebe muss dem Schwund von
Betrieben Einhalt gebieten. Es wäre tragisch, den Schatz europäischer
kultureller landwirtschaftlicher Vielfalt weiterhin auf dem Altar der
Wettbewerbsfähigkeit für den Weltmarkt zu opfern. Europäische
Landwirtschaft kann in einem unfairen Wettbewerb mit nord- und
südamerikanischen Großbetrieben, die keine Rücksicht auf Umwelt nehmen,
nicht bestehen. Landwirtschaft lässt sich nicht globalisieren.
Martin Häusling ist Biobauer und agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament.
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