05/08/2019

EU-Agrarpolitik wird von den ewig Gestrigen bestimmt – zum Schaden der Umwelt, aber auch der Landwirte.


Die EU-Agrarpolitik wird von den ewig Gestrigen bestimmt – zum Schaden der Umwelt, aber auch der Landwirte. Der Gastbeitrag von Martin Häusling, Biobauer und agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament.
Hauptergebnis der letzten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) 2013 war das in den Verhandlungen schwer umkämpfte sogenannte „Greening“, welches die landwirtschaftliche Praxis etwas nachhaltiger machen sollte. Seit der Einführung haben allerdings viele Gutachten und Studien belegt, dass diese Maßnahmen nicht viel für den Klima-, Arten- und Ressourcenschutz bringen. Zu nennen wären das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Agrarministeriums im April 2018 und die Kritik durch den Europäischen Rechnungshof 2018. Die Analysen belegen zudem, dass die angeblich einkommenstabilisierende Funktion der Zahlungen den Landwirten weder einen angemessenen Lebensstandard sichern noch das Aufgeben vieler Betriebe aufhalten kann. Auch die öffentliche Konsultation der Europäischen Kommission zur GAP ergab, dass die europäische Zivilgesellschaft deutlich mehr Klima-, Umwelt- und Tierschutz als wichtige Pfeiler einer erneuerten GAP sehen möchte.
Was die EU-Kommission dann Ende 2017 für die aktuelle GAP-Reform vorgelegt hat, war eindeutig nicht zufriedenstellend. Trotz grüner Rhetorik und einer angeblich „grünen Architektur“ nahm der Vorschlag weder die wissenschaftlichen Empfehlungen auf noch die Wünsche der Europäer ernst. Denn erstens sollen die Mitgliedstaaten jetzt alles selber entscheiden, was zu einer Renationalisierung und zu einem Unterbietungswettbewerb bei Umweltauflagen führen wird. Und zweitens ist schlicht nichts konkret vorgegeben, nichts definiert, nichts verbindlich. Auch das aktuell veröffentlichte Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz beim BMEL zur effektiven Gestaltung der Agrarumwelt- und Klimaschutzpolitik äußert die Befürchtung, dass ein Unterbietungswettlauf die Folge sein könnte.

Ausschuss ignoriert Empfehlungen der Wissenschaft

Während der Umweltausschuss im Europäischen Parlament mit seiner Stellungnahme noch versucht hat, verbindliche Ziele und Vorgaben bezüglich ökologischer Mindeststandards einzuführen, haben sich im Beschluss des Agrarausschusses leider die ewig Gestrigen durchgesetzt. Die Beschlüsse verwässern den Kommissionsvorschlag noch einmal. Der Ausschuss ignoriert damit völlig die Empfehlungen aus der Wissenschaft, die hier in den Sitzungen der letzten Jahre ausführlich diskutiert wurden. Es kann also niemand sagen, er hätte es nicht gewusst.
Die in der vergangenen Legislatur beschlossene Position des Agrarausschusses, die nach Ansicht der Grünen-Fraktion dringend noch einmal auf den Prüfstand kommen muss, beinhaltet unter anderem, dass 60 Prozent der Zahlungen weiterhin ohne jegliche ökologische Auflagen getätigt werden. Auch soll es nur ein sehr niedriges Budget für ökologische Leistungen geben – inhaltlich und finanziell weniger als das bestehende „Greening“ – und diese sollen auch nicht verbindlich sein. Sogar die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen für den Erhalt von Direktzahlungen sollen verwässert werden. Weit und breit keine Maßnahmen in Sicht, die zum Klimaschutz und zum Erhalt der Biodiversität beitragen, wie beispielsweise die Erhaltung von Dauergrünland, Torfgebieten und ökologischen Vorrangflächen. Darüber hinaus ist keinerlei Anpassung oder Kappung der Zahlungen bei Großbetrieben geplant. Eine gerechtere EU-weite Angleichung der GAP-Mittel für die Länder, die aktuell noch deutlich weniger bekommen, wurde ebenfalls abgelehnt.

Damit tut man den Bauern keinen Gefallen

Eine derart rückwärtsgewandte Agrarpolitik ist absolut nicht mehr zeitgemäß. Damit tut man den Bauern in Europa auf mittlere Sicht auch keinen Gefallen, denn man bereitet sie nicht auf die aktuellen Herausforderungen der Zukunft vor. Außerdem nimmt man den Agrarzahlungen so jegliche zivilgesellschaftliche Akzeptanz. Das können wir Grüne im Europaparlament nicht mittragen. Wir fordern die frisch gewählte Kommissionspräsidentin von der Leyen auf, sich für einen neuen Vorschlag zur Agrarpolitik einzusetzen.
Dieser sollte konsequent den ökologischen Landbau als Leitbild festlegen und für die Zeit der Transformation eine Bindung der Zahlungen an hohe Umwelt- und Tierschutzstandards verbindlich vorgeben, so wie es auch der Beirat für Agrarpolitik beim BMEL in seinem Gutachten fordert. Eine konsequente Förderung zukunftsorientierter Betriebe muss dem Schwund von Betrieben Einhalt gebieten. Es wäre tragisch, den Schatz europäischer kultureller landwirtschaftlicher Vielfalt weiterhin auf dem Altar der Wettbewerbsfähigkeit für den Weltmarkt zu opfern. Europäische Landwirtschaft kann in einem unfairen Wettbewerb mit nord- und südamerikanischen Großbetrieben, die keine Rücksicht auf Umwelt nehmen, nicht bestehen. Landwirtschaft lässt sich nicht globalisieren.
Martin Häusling ist Biobauer und agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament.

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