01/03/2019

Angriff auf uns alle

 


 
Angriff auf uns alle
Attac hat die Gemeinnützigkeit verloren. Das Urteil des Bundesfinanzhofs ist ein Maulkorb für alle, die sich engagieren – also die ganze kritische Zivilgesellschaft. Wenn sich gemeinnützige Organisationen an politischen Debatten beteiligen, riskieren sie von nun an ihre Existenz. Darum müssen wir Finanzminister Scholz jetzt klar machen: Dieser Maulkorb muss weg!


Hallo Manfred Paukstadt,
„Das ist eine Farce, das ist ein Witz“, kommentiert der Journalist und ehemalige Richter Heribert Prantl das Urteil des Bundesfinanzhofs, durch das die Organisation Attac ihre Gemeinnützigkeit verliert. „Es ist eine Entscheidung gegen die bunte, vielfältige Demokratie.“[1]
Denn die Richter erklärten die Beteiligung an politischen Debatten im Grundsatz für unvereinbar mit der Gemeinnützigkeit.[2] Weil die Arbeit von Attac zu „tagespolitisch“ sei, sollen Bürger/innen ihre Spenden an den Verein nicht mehr von der Steuer absetzen dürfen. Die Konsequenz ist: Wenn sich zivilgesellschaftliche Organisationen künftig zu Themen wie Steuerflucht, Bedrohung der Demokratie durch Rechtspopulisten oder Handelsabkommen äußern, gefährden sie ihre Gemeinnützigkeit – und damit ihre Existenz.
Wenn Bayer gegen ein Glyphosat-Verbot lobbyiert, die Deutsche Bank gegen Bankenregulierung kämpft oder Familienunternehmen höhere Erbschaftssteuern verhindern wollen, können sie die Kosten für ihre Lobbyarbeit einfach als Betriebsausgaben von der Steuer absetzen. Der Bundesfinanzhof stärkt also mit seinem Urteil indirekt die Macht großer Konzerne und Wirtschaftslobbys – und schwächt die Möglichkeiten von uns Bürgerinnen und Bürgern, jenseits von Parteien politisch mitzumischen!
Das Urteil macht auch sichtbar, wie verstaubt die Abgabenordnung ist, in der die Gemeinnützigkeit geregelt ist. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) umgehend einen Vorschlag für eine neue Abgabenordnung vorlegt.
Sobald wir 100.000 Unterschriften gesammelt haben, veröffentlichen wir unseren Appell in einer großen, überregionalen Zeitung. So konfrontieren wir den SPD-Politiker am Frühstückstisch mit unseren Forderungen. Das gelingt, wenn Sie jetzt mitmachen. Bitte unterzeichnen Sie hier und jetzt den Appell.
In Paragraf 52 der Abgabenordnung sind 25 Zwecke genannt, die gemeinnützig sind – darunter der Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz. Ausschließlich zu diesen Zwecken dürfen sich gemeinnützige Vereine dann auch politisch äußern – sofern dieser Zweck in ihrer Satzung steht.
Nicht gemeinnützig sind bislang die Wahr­nehmung und Verwirklichung von Grund­rechten, der Einsatz für Frieden, soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz, informationelle Selbstbestimmung, für Menschenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter. Diese gigantische Lücke war bisher nur zu verkraften, weil sich gemeinnützige Vereine auf die Förderung der Bildung berufen konnten, wenn sie zu diesen Themen arbeiten wollten. Doch damit haben die Richter des Bundesfinanzhofs (BFH) jetzt Schluss gemacht.[2]
Die Richter des BFH sagen, dass politische Bildung nicht eingesetzt werden darf, um die politische Willensbildung zu beeinflussen. Und Aufrufe zum Handeln sind plötzlich auch nicht mehr mit der Gemeinnützigkeit vereinbar. Dabei ist politisches Engagement die beste politische Bildung! Schüler/innen, die für den Klimaschutz auf die Straße gehen, lernen, wie man Demos organisiert, politische Forderungen formuliert und Kompromisse schließt.
Deutsche Politiker/innen und Journalist/innen prangern immer wieder den zunehmend engen Handlungsspielraum für Engagement in China, Rußland, der Türkei oder Ungarn an – und betonen dabei, in Deutschland sei alles ganz anders. Doch der Zivilgesellschaftsexperte Rupert Graf Strachwitz hat Recht, wenn er sagt, dass dies seit dem Urteil des Bundesfinanzhofs nicht mehr gilt.[3] Finanzbehörden und Politiker/innen wird Tür und Tor geöffnet, um politische Aktivitäten von gemeinnützigen Vereinen über das Steuerrecht abzuwürgen.
Wir nehmen das nicht hin! Zusammen mit der Allianz für Rechtssicherheit für politische Willensbildung streiten wir für eine grundlegende Reform der Abgabenordnung. Erfolgreich können wir aber nur mit Ihrer Hilfe sein – bitte unterzeichnen Sie jetzt unseren Appell.
Herzliche Grüße
Yves Venedey, Campaigner
Felix Kolb, Campact-Geschäftsführer
PS: Wenn Konzerne Steuersenkungen für sich selbst fordern, können sie die Kosten dieser Lobbyarbeit von der Steuer absetzen. Wenn aber Attac Kampagnen gegen Steuerbetrug macht, gilt das nicht mehr als gemeinnützig. Das ist absurd – und deswegen braucht Attac jetzt unsere Solidarität.
[1] „Die Entscheidung gegen Attac ist ein schlechter Witz“, Videokommentar auf sueddeutsche.de, 27. Februar 2019
[2] Urteil des Bundesfinanzhofes vom 26. Februar 2019
[3] „Der ‚shrinking civic space‘ ist in Deutschland angekommen“, Kommentar von Rupert Graf Strachwitz, Stiftung Maecenata Online, 28. Februar 2019

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