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Angriff auf uns alle
Attac hat die Gemeinnützigkeit verloren. Das Urteil des Bundesfinanzhofs ist
ein Maulkorb für alle, die sich engagieren – also die ganze kritische
Zivilgesellschaft. Wenn sich gemeinnützige Organisationen an politischen
Debatten beteiligen, riskieren sie von nun an ihre Existenz. Darum müssen wir
Finanzminister Scholz jetzt klar machen: Dieser Maulkorb muss
weg! |
Hallo Manfred Paukstadt,
„Das ist eine Farce, das ist ein Witz“, kommentiert der Journalist und
ehemalige Richter Heribert Prantl das Urteil des Bundesfinanzhofs, durch das die
Organisation Attac ihre Gemeinnützigkeit verliert. „Es ist eine
Entscheidung gegen die bunte, vielfältige Demokratie.“[1]
Denn die Richter erklärten die Beteiligung an politischen Debatten im
Grundsatz für unvereinbar mit der Gemeinnützigkeit.[2] Weil die Arbeit von Attac zu
„tagespolitisch“ sei, sollen Bürger/innen ihre Spenden an den Verein nicht mehr
von der Steuer absetzen dürfen. Die Konsequenz ist: Wenn sich
zivilgesellschaftliche Organisationen künftig zu Themen wie Steuerflucht,
Bedrohung der Demokratie durch Rechtspopulisten oder Handelsabkommen äußern,
gefährden sie ihre Gemeinnützigkeit – und damit ihre Existenz.
Wenn Bayer gegen ein Glyphosat-Verbot lobbyiert, die Deutsche Bank gegen
Bankenregulierung kämpft oder Familienunternehmen höhere Erbschaftssteuern
verhindern wollen, können sie die Kosten für ihre Lobbyarbeit einfach als
Betriebsausgaben von der Steuer absetzen. Der Bundesfinanzhof stärkt
also mit seinem Urteil indirekt die Macht großer Konzerne und
Wirtschaftslobbys – und schwächt die Möglichkeiten von uns Bürgerinnen
und Bürgern, jenseits von Parteien politisch mitzumischen!
Das Urteil macht auch sichtbar, wie verstaubt die Abgabenordnung ist,
in der die Gemeinnützigkeit geregelt ist. Jetzt müssen wir dafür
sorgen, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) umgehend einen Vorschlag für
eine neue Abgabenordnung vorlegt.
Sobald wir 100.000 Unterschriften gesammelt haben, veröffentlichen wir
unseren Appell in einer großen, überregionalen Zeitung. So konfrontieren wir den
SPD-Politiker am Frühstückstisch mit unseren Forderungen. Das gelingt, wenn Sie
jetzt mitmachen. Bitte unterzeichnen Sie hier und jetzt den
Appell. |
In Paragraf 52 der Abgabenordnung sind 25 Zwecke genannt, die gemeinnützig
sind – darunter der Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz. Ausschließlich zu
diesen Zwecken dürfen sich gemeinnützige Vereine dann auch politisch äußern –
sofern dieser Zweck in ihrer Satzung steht.
Nicht gemeinnützig sind bislang die Wahrnehmung und Verwirklichung von
Grundrechten, der Einsatz für Frieden, soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz,
informationelle Selbstbestimmung, für Menschenrechte und die Gleichstellung der
Geschlechter. Diese gigantische Lücke war bisher nur zu verkraften, weil
sich gemeinnützige Vereine auf die Förderung der Bildung berufen konnten, wenn
sie zu diesen Themen arbeiten wollten. Doch damit haben die Richter des
Bundesfinanzhofs (BFH) jetzt Schluss gemacht.[2]
Die Richter des BFH sagen, dass politische Bildung nicht eingesetzt werden
darf, um die politische Willensbildung zu beeinflussen. Und Aufrufe zum Handeln
sind plötzlich auch nicht mehr mit der Gemeinnützigkeit vereinbar. Dabei
ist politisches Engagement die beste politische Bildung! Schüler/innen,
die für den Klimaschutz auf die Straße gehen, lernen, wie man Demos organisiert,
politische Forderungen formuliert und Kompromisse schließt.
Deutsche Politiker/innen und Journalist/innen prangern immer wieder den
zunehmend engen Handlungsspielraum für Engagement in China, Rußland, der Türkei
oder Ungarn an – und betonen dabei, in Deutschland sei alles ganz anders. Doch
der Zivilgesellschaftsexperte Rupert Graf Strachwitz hat Recht, wenn er sagt,
dass dies seit dem Urteil des Bundesfinanzhofs nicht mehr gilt.[3] Finanzbehörden und Politiker/innen wird
Tür und Tor geöffnet, um politische Aktivitäten von gemeinnützigen Vereinen über
das Steuerrecht abzuwürgen.
Wir nehmen das nicht hin! Zusammen mit der Allianz für
Rechtssicherheit für politische Willensbildung streiten wir für eine
grundlegende Reform der Abgabenordnung. Erfolgreich können wir aber nur mit
Ihrer Hilfe sein – bitte unterzeichnen Sie jetzt unseren
Appell. |
Herzliche Grüße Yves Venedey, Campaigner Felix Kolb,
Campact-Geschäftsführer
PS: Wenn Konzerne Steuersenkungen für sich selbst fordern, können sie die
Kosten dieser Lobbyarbeit von der Steuer absetzen. Wenn aber Attac Kampagnen
gegen Steuerbetrug macht, gilt das nicht mehr als gemeinnützig. Das ist absurd –
und deswegen braucht Attac jetzt unsere
Solidarität. |
[1] „Die Entscheidung
gegen Attac ist ein schlechter Witz“, Videokommentar auf sueddeutsche.de, 27.
Februar 2019 [2] Urteil des Bundesfinanzhofes vom 26. Februar 2019 [3]
„Der ‚shrinking civic space‘ ist in Deutschland angekommen“, Kommentar von
Rupert Graf Strachwitz, Stiftung Maecenata Online, 28. Februar
2019
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