Am kommenden Samstag finden im Volkshaus Neckarau Rheingoldstraße 47-49, die 42. „Deutschen Blitzmeisterschaften“ statt. Der magere Preisfond hat viele Spieler der deutschen Elite ferngehalten. 1.250 Euro sind nicht gerade viel für eine „Deutsche Meisterschaft“, zumal die Kosten für Übernachtung die Spieler selbst tragen müssen. Es gibt nch nicht einmal eine vernünftige Turnierseite. Das ist besonders für die Außendarstellung wichtig. Wie soll man Sponsoren begeistern bei einer solchen Präsentation einer „Nationalen Meisterschaft“. Trotz allem ist ein stattliches Teilnehmerfeld zusammengekommen. Allen voran der „Internationale Meister und Bundesligaspieler (SF Berlin) Ilja Schneider mit einer Blitz-Elo von 2.604. Ilja Schneider hat am vergangenen Samstag noch ein stark besetztes Schnellschachturnier in Herne, mit 7,5 aus 9 gewonnen. Sein emotional größter Erfolg ist wohl das Remis gegen den ehemaligen Weltmeister Anand bei der diesjährigen Blitz-WM in Berlin.
Über diese Partie, bei der mir vor Aufregung die Knie zitterten, ich kurz vor dem Hyperventilieren war und meine Anspannung Zuschauern fast schon körperliche Schmerzen bereitete, gibt es sonst nicht viel zu sagen. Sie verlief zu normal, er und ich, wir spielten nicht überragend, aber ordentlich, vermieden große Risiken und grobe Fehler. Bis kurz vor Schluss, als ich in einem eigentlich übersichtlichen Bauernendspiel stolperte und mit Verlust bestraft werden hätte müssen. Doch der mehrfache Weltmeister aus Indien hat sich zu diesem Zeitpunkt schon mental mit einem Remis abgefunden, was er ein paar Züge später anbot. So schnell wie da ging meine Hand wohl selten über einen Schachtisch. Vor der WM meinte ich noch, das Fallobst zu sein und nun schüttelte ich, in meinem Sonic-Tshirt, mein Glücksshirt übrigens, der Legende Viswanathan Anand nach einem Remis die Hand.
Wir unterhielten uns noch eine kurze Weile über das Endspiel, er wirkte aufgeräumt und gelöst, keineswegs enttäuscht, mir zitterte die Stimme und ich hätte vermutlich in der fünften Klasse besseres Englisch hingekriegt. Es war bezeichnend, dass wir ausschließlich die Frage diskutierten, ob ich am Ende noch eine kleine Siegchance ausgelassen haben könnte oder die Stellung sowieso remis war. Auf die Idee, dass er die Partie durch einen kleinen Trick für sich hätte entscheiden können, ist keiner von uns gekommen. Dann verabschiedete er sich und ich saß für einen Augenblick alleine da mit meiner Freude, mit meiner Euphorie, mit meiner Erschöpfung.
Danach durfte ich viele Hände schütteln, mir dutzendfach auf die Schulter klopfen lassen. Ich musste Fragen zur Eröffnungswahl oder Mittelspielverlauf beantworten. Die Pause schien ewig zu dauern, ich wurde von einem mir unbekannten Menschen in Beschlag genommen, der mit mir über den Welthunger und eine ökologisch faire Wirtschaft diskutieren wollte. Ich kam kaum von ihm los, suchte noch die Confession Box auf, wo ich meiner Freude vor laufender Kamera Ausdruck verleihen konnte. Ich wusste, das ist bereits der Höhepunkt, es kann nicht so weiter laufen, irgendwann kommt der Absturz. Ich wusste nur nicht wann. Bis dahin wollte ich jeden Moment auskosten.