13/04/2015

BfN Pressemitteilung-Grünlandreport

BfN Pressemitteilung

Bonn/Oberelsbach, 13.04.2015: Mehr Mittel für wirksame
Naturschutzleistungen ("dunkelgrüne" Agrarumweltmaßnahmen) und eine
professionelle gesamtbetriebliche Naturschutzberatung für Landwirte
forderte Prof. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz
(BfN), heute beim Grünlandkolloquium in Oberelsbach (Kreis
Rhön-Grabfeld).

Um den Rückgang der Biodiversität tatsächlich aufzuhalten, müssen die zur
Verfügung stehenden Mittel in deutlich größerem Umfang für
Naturschutzleistungen der Landwirte eingesetzt werden. Mit sogenannten
"dunkelgrünen Maßnahmen" können vor allem Maßnahmen für die
Biodiversität
gefördert werden, wie beispielsweise die extensive Nutzung von besonders
artenreichem Grünland oder das Anlegen von Saumstreifen später gemähter
Grünlandflächen. "Darüber hinaus muss die Teilnahme an Agrarumwelt- und
Klimaschutzmaßnahmen (AUKM) für die Landwirtschaft attraktiver werden",
sagte die BfN-Präsidentin. Dies müsse über eine langfristige
Verlässlichkeit sowie angemessene Prämien erreicht werden. "Auch der
gesamtbetrieblichen Naturschutzberatung für Landwirte muss mehr Bedeutung
zugemessen werden", forderte Prof. Jessel. Damit ließen sich nicht nur
die ökologische Wirksamkeit der Maßnahmen steigern, sondern auch größere
Transparenz und damit Akzeptanz erreichen.

Die BfN-Präsidentin begrüßte in diesem Zusammenhang eine Klarstellung der
EU-Kommission, nach der Flächen, auf denen AUKM stattfinden, nach Ablauf
der Verpflichtungsdauer wieder in den Ausgangszustand gebracht werden
dürfen und daher zum Beispiel auch entsprechende Ackerflächen ihren
Ackerstatus behalten und ohne eine verpflichtende Genehmigung nach Ablauf
der Agrarumweltmaßnahme weiter als Acker genutzt werden können.
Gegenteilige Befürchtungen, wie sie zuletzt auch vom Deutschen
Bauernverband (DBV) geäußert wurden, sind damit unbegründet und
Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen genießen weiterhin
Vertrauensschutz. Damit ist der erfolgreiche Weg des kooperativen
Naturschutzes weiterhin weit offen. "Es ist gut", so Jessel weiter, "dass
die EU-Kommission noch einmal deutlich gemacht hat, dass Landwirtinnen
und Landwirte, die an Agrarumweltmaßnahmen teilnehmen, keine Nachteile
befürchten müssen. Dies würde auch dem Ziel der EU, die GAP ökologischer
zu machen, entgegenstehen."

Als besonders besorgniserregend ist aber die Tatsache zu werten, dass der
Anteil des Grünlands an der landwirtschaftlichen Fläche seit 2003 um rund
fünf Prozent gesunken ist. Entscheidende Faktoren für die Umwandlung in
Ackerflächen und damit für den wachsenden Druck auf das verbleibende
Grünland seien die Förderpolitik bei den erneuerbaren Energien im Bereich
der Biomasse (Energiewende) gewesen sowie die anhaltende Intensivierung
der Milchproduktion, die mit dem Wegfallen der Milchquote in Teilen sogar
noch zunehmen dürfte. Die Lage für das Grünland und in der Folge auch für
die Artenvielfalt wird somit immer prekärer. Dass beim Grünland dabei
nicht nur quantitativ, d.h. in der Fläche, sondern auch in der Qualität
gravierende Verschlechterungen zu verzeichnen sind, zeigt unter anderem
der so genannte High Nature Value Farmland-Indikator. Die Daten belegen,
dass das Grünland mit hohem Naturwert alleine zwischen 2009 und 2013 um
7,4 Prozent abgenommen hat, obwohl auf mehr als einem Drittel der
landwirtschaftlich genutzten Flächen Agrarumweltmaßnahmen gefördert
wurden. "Diese Entwicklung ist aus Sicht des Naturschutzes dramatisch",
sagte Prof. Jessel. "Umso wichtiger ist es, das Instrument der
Agrarumweltförderung im Sinne eines tatsächlich wirksamen Schutzes des
Grünlands und seiner typischen Biodiversität auszugestalten und zu
stärken."

Hintergrund: Grünland und Biodiversität
Zum Grünland gehören gedüngte und ungedüngte Wiesen und Weiden zur
Futtergewinnung, aber auch Mähwiesen zur Biomasse- und Einstreugewinnung,
sowie Naturschutzflächen wie Feuchtgrünland, Magerrasen und
Streuobstwiesen. Über ein Drittel aller heimischen Farn- und
Blütenpflanzen haben ihr Hauptvorkommen im Grünland (1.250 von 2.997
bzgl. Zugehörigkeit zu einer Vegetationseinheit und der Gefährdung
bewerteten Arten). Von den in Deutschland gefährdeten Arten der Farn- und
Blütenpflanzen haben sogar rund 40 % (das entspricht 822 Arten) ihr
Hauptvorkommen im Grünland. Die meisten Vogelarten, die auf Wiesen und
Weiden brüten, gehen wegen der hohen Intensität der landwirtschaftlichen
Nutzung deutlich im Bestand zurück. Bei den vorwiegend in Feuchtwiesen am
Boden brütenden Arten wie Kiebitz und Uferschnepfe setzen sich die
Bestandsverluste seit Jahrzehnten fort: Die Bestände des Kiebitz sind in
den letzten 20 Jahren auf ein Viertel geschrumpft, bei der Uferschnepfe
haben sie sich halbiert.

Mit dem Grünlandrückgang verlieren insbesondere auch die auf ein reiches
Blüten- und Nektarangebot angewiesenen Insekten wie Bienen und
Schmetterlinge ihre Nahrungsgrundlage und ihren Lebensraum. In der
aktuellen Roten Liste zeigt sich, dass sich der negative Bestandstrend
insbesondere der auf Magerrasen und Trockenrasen vorkommenden
Tagfalter-Arten und der in Mähwiesen, Magerrasen und Heiden vorkommenden
Bienen, fortgesetzt hat. Die Ameisenbläulinge der Feuchtwiesen (z.B.
Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling, Maculinea nausithous) weisen einen
starken Rückgang auf. Anlass zur Sorge gibt dabei nicht nur der
quantitative Rückgang des Grünlands, der sich allein zwischen 1990 und
2009 auf 875.000 ha belief, sondern auch die qualitative
Verschlechterung: Durch Intensivierung der Landwirtschaft nehmen
Intensivwiesen und Mähweiden gegenüber biologisch vielfältigeren
Grünlandflächen immer höhere Flächenanteile ein. Im kürzlich
veröffentlichten nationalen Bericht zur FFH-Richtlinie, der den
Erhaltungszustand der für den Naturschutz wichtigen Lebensräume bewertet,
steht bei den Grünlandlebensräumen im kontinentalen und atlantischen
Bereich bei keinem einzigen die Ampel auf "Grün", was einen guten
Erhaltungszustand anzeigen würde.
Der Grünlandreport des BfN: http://www.bfn.de/0405_hintergrundinfo.html




Hrsg: Bundesamt für Naturschutz
Referat Presse/Öffentlichkeitsarbeit
Konstantinstraße 110
53179 Bonn
Fon: 0228/8491 - 4444
Fax: 0228/8491 - 1039
presse@bfn.de
www.bfn.de