02/07/2014

BfN Pressemitteilung

BfN Pressemitteilung

Berlin/Bonn, 2. Juli 2014: In den Jahren 2009 bis 2013 hat das Grünland
mit hohem Naturwert einen besorgniserregenden flächenmäßigen Verlust
erlitten. Es ging bundesweit um 7,4 Prozent (82.000 Hektar) durch
Intensivierung der Nutzung oder Umbruch zurück.

"Diese drastische Abnahme ist für den Naturschutz kritisch. Sie zeigt,
dass die bisherigen Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in
der Agrarlandschaft und insbesondere des artenreichen Grünlands nicht die
beabsichtigte Wirkung hatten", sagte Prof. Beate Jessel, Präsidentin des
Bundesamtes für Naturschutz (BfN) bei der Präsentation des ersten
"Grünland-Reports".

Anlass zur Sorge gibt dabei nicht nur der quantitative Rückgang des
Grünlands, sondern auch die qualitative Verschlechterung: Durch
Intensivierung der Landwirtschaft nehmen Intensivwiesen und Mähweiden
gegenüber biologisch vielfältigeren Grünlandflächen immer höheren
Flächenanteile ein. "Wenn wir den Rückgang des Grünlandes und den damit
verbundenen Verlust von Pflanzen- und Tierarten aufhalten wollen, dann
brauchen wir eine nationale Grünlandstrategie mit einem flächendeckenden
Grünlanderhaltungsgebot in Deutschland und ein Umschwenken in der
Agrarförderpolitik. Nachdem auf EU-Ebene die Weichen gestellt sind, sind
hier jetzt vor allem die Bundesländer bei der laufenden Ausgestaltung
ihrer Agrarumweltprogramme gefordert", so Beate Jessel.

Nach Ansicht des BfN sollte insbesondere in FFH- und Vogelschutzgebieten
sowie in weiteren sensiblen Gebieten (z.B. kohlenstoffreiche und
erosionsgefährdete Gebiete) das Grünland unter strengen Schutz gestellt
und eine Grünlandumwandlung bundesweit untersagt werden. Vor allem in
Flussauen und auf Moorböden sollte ein generelles Grünlandumbruchverbot
gelten. Bestehende Ackernutzungen in solchen Gebieten sind schrittweise
in Dauergrünlandnutzung zu überführen. Ebenso setzt sich das BfN für eine
bessere Förderung von Wanderschäfereien ein, um extensive Grünlandtypen
wie Wacholderheiden, die von einer Beweidung abhängig sind, zu erhalten.

Denn Grünland hat vielfältige Bedeutung für Erholung und Landschaftsbild,
den Erhalt der biologischen Vielfalt und den Naturhaushalt (z.B.
Bodenschutz). Vielfach unbekannt sind die positiven Wirkungen des
Grünlandes für den Schutz des Klimas. Es wirkt für den Klimaschutz in
zweierlei Weise.

Zum einen hat Grünland eine bedeutende Rückhaltefunktion für Kohlenstoff.
So werden in nur zehn Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche
(vorwiegend Grünland) mehr als 35 Prozent der gesamten Kohlenstoffvorräte
landwirtschaftlicher Böden in Deutschland gespeichert. Andererseits hat
Grünland auch eine CO2-Senkenfunktion inne. Bei einer Neuanlage von
Grünland wird zwar wieder Kohlenstoff im Boden gebunden, jedoch ist die
Festsetzungsrate im Boden nur etwa halb so groß wie die Freisetzungsrate
bei Umbruch. "Die Neuanlage einer gleich großen Fläche als Ausgleich für
einen Grünlandumbruch stellt aus Klima- wie Naturschutzgesichtspunkten
somit keine ausreichende Option dar. Vielmehr müssen wir unsere
Anstrengungen auf den Erhalt der bestehenden Grünlandstandorte
konzentrieren", fordert BfN-Präsidentin Jessel.

Dem BfN zufolge müssen durch die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU
insbesondere "dunkelgrüne" Agrarumweltmaßnahmen (AUM), die einen echten
Mehrwert für die biologische Vielfalt haben, von den Bundesländern
gefördert und besonders honoriert werden. Um dabei hochwertiges Grünland
zu erhalten, sollten staatliche Zahlungen auch stärker an positive
Wirkungen für das Grünland mit hohem Naturwert gekoppelt werden. Die
AUM-Förderung sollte außerdem die Erhaltung und Entwicklung von
Saumstrukturen beinhalten, die für den Erhalt der biologischen Vielfalt
von sehr großer Bedeutung ist.

Weitere Informationen zum Grünland-Report erhalten Sie unter:

http://www.bfn.de/0405_hintergrundinfo.html#c33042

Hintergrund Grünland

Zum Grünland gehören gedüngte und ungedüngte Wiesen und Weiden zur
Futtergewinnung, aber auch Mähwiesen zur Biomasse und Einstreugewinnung,
sowie Naturschutzflächen wie Feuchtgrünland, Magerrasen und
Streuobstwiesen. Über ein Drittel aller heimischen Farn- und
Blütenpflanzen haben ihr Hauptvorkommen im Grünland (1.250 von 2.997
bzgl. Zugehörigkeit zu einer Vegetationseinheit und der Gefährdung
bewerteten Arten).

Von den in Deutschland gefährdeten Arten der Farn- und Blütenpflanzen
haben sogar rund 40 % (das entspricht 822 Arten) ihr Hauptvorkommen im
Grünland. Die meisten Vogelarten, die auf Wiesen und Weiden brüten, gehen
wegen der hohen Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung deutlich im
Bestand zurück. Bei den vorwiegend in Feuchtwiesen am Boden brütenden
Arten wie Kiebitz und Uferschnepfe setzen sich die Bestandsverluste seit
Jahrzehnten fort: die Bestände des Kiebitz sind in den letzten 20 Jahren
auf ein Viertel geschrumpft bei der Uferschnepfe haben sie sich halbiert.

Mit dem Grünlandrückgang verlieren insbesondere auch die auf ein reiches
Blüten- und Nektarangebot angewiesenen Insekten wie Bienen und
Schmetterlinge ihre Nahrungsgrundlage und ihren Lebensraum. In der
aktuellen Roten Liste zeigt sich, dass sich der negative Bestandstrend
insbesondere der auf Magerrasen und Trockenrasen vorkommenden
Tagfalter-Arten und der in Mähwiesen, Magerrasen und Heiden vorkommenden
Bienen, fortgesetzt hat.

Die Ameisenbläulinge der Feuchtwiesen (z.B. Dunkler
Wiesenknopf-Ameisenbläuling, Maculinea nausithous) weisen einen starken
Rückgang auf. Anlass zur Sorge gibt dabei nicht nur der quantitative
Rückgang des Grünlands, der sich allein zwischen 1990 und 2009 auf
875.000 ha belief, sondern auch die qualitative Verschlechterung: Durch
Intensivierung der Landwirtschaft nehmen Intensivwiesen und Mähweiden
gegenüber biologisch vielfältigeren Grünlandflächen immer höheren
Flächenanteile ein. Im kürzlich veröffentlichten nationalen Bericht zur
FFH-Richtlinie, der den Erhaltungszustand der für den Naturschutz
wichtigen Lebensräume bewertet, steht bei den Grünlandlebensräumen im
kontinentalen und atlantischen Bereich bei keinem einzigen die Ampel auf
"Grün", was einen guten Erhaltungszustand bedeutet.

Diese Pressemitteilung finden Sie auch unter:
http://www.bfn.de/0401_pm.html?tx_ttnews%5Btt_news%5D=4957


Hrsg: Bundesamt für Naturschutz
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