Die Deutschen essen laut des neuen Fleischatlas 60 Kilo Fleisch pro Jahr. An der Spitze steht dabei das Schwein. Trotzdem hat der Fleischkonsum um etwa drei Kilo abgenommen. Ein Rückgang, den es schon seit Jahren nicht mehr gegeben hat. Trotzdem gibt es keinen Grund zur Freude, sagt die Agrarexpertin des Bundes für Naturschutz, Reinhild Benning.
"Leider sehen wir, dass die Fleischproduktion nur stagniert. Sie nimmt glücklicherweise im gleichen Jahr 2012 endlich nicht mehr zu, wie in den vergangenen Jahren. Doch sie stagniert auf viel zu hohem Niveau. Die sinkenden Konsumzahlen werden durch Exporte kompensiert. Russland ist hier eines der Hauptempfangsländer für deutsches Fleisch."
Russland importiert vor allem den Bauch und das Speck von deutschen Schweinen. Ein anderes Abnehmerland ist China. Dort werden die Ohren, die Nasen und Beine bevorzugt. Aber auch deutsches Geflügel ist gefragt. Fast jedes dritte Huhn geht ins Ausland. Das Futter für die Tiere stammt allerdings meist nicht aus Europa.
"So werden über 70 Prozent des Eiweißfutters aus Regionen des Südens der Welt bezogen. Hier vor allem aus Brasilien und Argentinien."
Immer mehr Ackerfläche wird also dazu gebraucht, um Futtermittel für die Fleischindustrie zu produzieren, auf Kosten pflanzlicher Nahrung für die Menschen. Deshalb steigen die Preise für pflanzliche Lebensmittel. Davon sind auch einige Länder Afrika als Abnehmer des deutschen Billigfleisches betroffen.
"Häufig wurden diese Länder dazu gezwungen, ihre Zölle abzubauen. Nun müssen sie europäisches Dumpingfleisch auf ihre Märkte lassen. Das wiederum schadet den Kleinbauern dort vor Ort. Sie verlieren ihre Einkommen, und so trägt Fleisch zum Hunger bei."
Der weltweite Verbrauch von Fleisch beträgt im Moment 300 Millionen Tonnen. In wenigen Jahrzehnten steigt der Konsum möglicherweise auf bis zu 470 Millionen Tonnen. Grund ist der steigende Wohlstand in Schwellenländern wie China und Indien. Der Export von Billigfleisch aus Deutschland bleibt dabei nicht folgenlos für die Umwelt. Hier haben die Bauern immer häufiger mit überdüngten Böden zu tun, sagt Reinhild Benning.
"Die Umwelt in Deutschland ist insofern in Mitleidenschaft gezogen, als dass das Fleisch zwar exportiert wird. Übrigens ebenso Milliarden von Litern Milch. Doch die Gülle der Tiere bleibt hier. Dieses führt hier zur Überdüngung, meist in Form von Nitrat, das in unseren Gewässern landet. Hier haben wir schon an über der Hälfte der Messstellen in Deutschland alarmierende Nitratwerte. Die Folge: Die Wasserwerke müssen Wasser ohne große Nitratbelastung von weit her heranbringen und mit dem belasteten Wasser verschneiden, damit wir wieder überall Trinkwasser zur Verfügung haben. Das kostet in Deutschland Minimum acht Milliarden Euro pro Jahr. Daher zahlen wir für dieses billige Fleisch gleich mehrfach. Wir zahlen einmal an der Ladentheke. Wir zahlen zum Zweiten über die Subventionen, denn dieses Fleisch wird auch subventioniert. Und zum Dritten zahlen wir über die Umweltschäden."
Der Fleischatlas des vorigen Jahres ist gemeinsam vom BUND, der Grünen-nahen Heinrich Böll-Stiftung der Zeitung Le Monde diplomatique veröffentlicht worden.