09/11/2013

Entscheidend ist inwzischen nicht mehr der Einzelpreis der Technologie, sondern die Systemkosten.

Unten eine interessante Mail aus dem Verteiler der Bundesarbeitsgemeinschaft Energie – könnt Ihr sicher gut zur Argumentation im Bekanntenkreis verwenden!

Karl-Martin

Hallo Erich,

entscheidend ist inwzischen nicht mehr der Einzelpreis der Technologie, sondern die Systemkosten.

Das spannende ist nun:
* Während in der Vergangenheit Deine Ansicht, ein fossiles Energiesystem sei billiger als ein erneuerbares, ohne Berücksichtigung der externen Kosten noch gültig war, ist das dank der enormen Kostensenkungen jetzt nicht mehr der Fall.
Die Agora Energiewende schreibt dazu in ihren 12 Thesen:

"Windkraft- und PV-Anlagen werden 2015 Vollkosten
von 7 bis 10 ct/kWh haben – ein System
aus Windkraft, PV und Back-up-Kapazitäten
liegt damit in der gleichen Größenordnung
wie neue Gas- und Kohlekraftwerke
Das EEG vergütet Onshore-Windkraft derzeit mit etwa 7 bis
10 ct/kWh und Photovoltaik mit etwa 12 bis 18 ct/kWh, jeweils
in Abhängigkeit von Anlagengröße und Standort und
für 20 Jahre garantiert.7 Durch die im EEG festgelegte Degression
der Einspeisetarife und weitere Kostensenkungen
bei diesen Technologien wird es schon im Jahr 2015 möglich,
mit dann errichteten Anlagen Wind- und PV-Strom in der
Größenordnung von 7 bis 10 ct/kWh zu erhalten.

Da weder Wind noch Sonne stetig zur Verfügung stehen, benötigt
ein darauf basierendes Stromversorgungssystem ergänzende
Kraftwerke, die vorerst nach wie vor überwiegend
fossil betrieben werden. Kurzfristig wird der bestehende
Kraftwerkspark diese Back-up-Funktion übernehmen (aktueller
Strompreis an der Börse: circa 5 ct/kWh). Mittelfristig
werden zudem Investitionen in neue fossile Kraftwerke
nötig, um die Nachfrage auch dann zu bedienen, wenn kein
Strom aus Erneuerbaren Energien zur Verfügung steht. Bedenkt
man, dass die Stromerzeugungskosten von neuen
Gas- oder Kohlekraftwerken ebenfalls bei etwa 7 bis 10
ct/kWh liegen9 und die Absicherung der Spitzenlast vergleichsweise
günstig möglich ist (siehe These 5), dann gilt
ab etwa 2015: Die Stromerzeugungskosten eines Systems
auf der Basis neuer Windkraft-, PV- und flexibler fossiler
Kraftwerke liegen in der gleichen Größenordnung wie eine
alternative Investition in ein traditionelles, kohle- beziehungsweise
gasbasiertes Stromsystem."

Das heisst, wir haben dank EEG nun die Kosten für Erneuerbare so weit heruntergebracht, dass für Neuinvestitionen wir von keinen signifikanten Mehrkosten mehr zu rechnen ist. Wir haben einen "Kostenrucksack", das sind die Kosten der in der Vergangenheit gebauten Anlagen die wir noch viele Jahre abbezahlen müssen. Aber diesen Kostenrucksack können wir a) nicht mehr beeinflussen, wenn wir nicht retroaktiv in die Vergütung eingreifen wollen – und das will inzwischen keiner mehr – und b) für diesen Kostenrucksack haben wir ein globales öffentliches Gut gekauft: Die Kostensenkung der Erneuerbaren. Darauf können wir stolz sein, als Grüne, als Deutsche.

Das sind aber "sunk costs", Vergangenheit. Was die Zukunft angeht, können wir argumentieren dass nur die "Nicht-Investition", d.h. das weitere Laufenlassen abgeschriebener Kraftwerke, billiger wäre. Wenn es um Neu-Investition geht, so ist eine vernünftige Kombination von Wind, Sonne und ein paar Betriebsstunden Backup-Kraftwerken im bundesweiten Ausgleich nicht teurer als neue fossile.

Teurer wird es, wenn wir heute schon jede einzelne Betriebsstunde erneuerbar machen wollten, mit sehr viel Speichern oder Windgas. Aber das müssen wir nicht. Wir müssen dorthin kommen so bald wie möglich, aber bevor wir die Speicher in ganz großem Stil brauchen, können und sollen wir andere Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Stromnachfrage und von Backup-Kapazitäten nutzen:
Die Agora-Energiewende schreibt dazu:

"Unter Kostengesichtspunkten spielt es kaum eine Rolle, ob Windkraft- und Solaranlagen künftig eher dort errichtet werden, wo die Stromerzeugung besonders günstig ist oder aber dort, wo der Strom verbraucht wird. Das ist das Ergebnis einer Studie renommierter Wissenschaftler im Auftrag von Agora Energiewende, deren Endergebnisse am jetzt vorgestellt wurden. „Unter Kostengesichtspunkten ist die regionale Verteilung der Anlagen beinahe unerheblich. Die  Politik  hat  damit einen  großen  Handlungsspielraum  beim  Ausbau  von  Onshore-Windkraft  und  Photovoltaik“, sagt Rainer Baake, Direktor des von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation getragenen Denklabors.  

Werden für die Energiewende vor allem die besten Standorte genutzt – Windkraftanlagen in den Küstenregionen, Solaranlagen in Süddeutschland - müssten zwar insgesamt weniger Anlagen gebaut werden, allerdings verursacht die von Zeit zu Zeit nötige Drosselung der Anlagen bei viel Wind und Sonne zusätzliche Kosten. Baut man die Anlagen hingegen näher an den Verbrauchszentren, so werden zwar mehr Anlagen benötigt, um die gleiche Menge Strom zu produzieren, doch dafür wird das Stromsystem entlastet: Die Anlagen produzieren zu unterschiedlichen Zeiten Strom und speisen diesen näher an den Verbrauchern ins Netz ein. Sie müssen daher im Vergleich zu einem Ausbau an den besten Standorten nur vergleichsweise selten gedrosselt werden.  

Theoretisch möglich wäre auch eine Stromversorgung Deutschlands, die zu einem wesentlichen Teil auf Photovoltaikanlagen und daran angeschlossene Batteriespeicher basiert. Ein solches Szenario wurde in der Studie erstmals auch unter Kostengesichtspunkten betrachtet. Damit solch ein Szenario zu vergleichbaren Gesamtkosten wie die anderen Szenarien führt, müssten die Preise für dezentrale  Photovoltaik-Batteriespeicher-Systeme in den kommenden 20 Jahren um 80 Prozent fallen. Dies ist zwar nicht unmöglich, erscheint aus heutiger Sicht aber nicht wahrscheinlich. Auf die Sicherheit der Stromversorgung hätte eine große Anzahl von Photovoltaik-Batteriespeichersystemen keine Auswirkungen. Auch bei einer Leistung von 150 Gigawatt – dem fünffachen von heute – kann das Stromsystem noch sicher arbeiten. „Vor dem Hintergrund der noch sehr hohen Kosten für Photovoltaik-Batteriespeicher-Kombinationen ist allerdings ein starker Fokus auf solche Systeme derzeit nicht erstrebenswert“, sagt Baake."

Also: Wir können selbstbewusst in die Auseinandersetzung über Kosten gehen. Wir müssen dabei allerdings weg kommen von einer Haltung "100% Erneuerbar sofort in jeder Minute überall" und einen kostenbewussten Pfad der Systemtransformation einschlagen. Damit können wir die Kostendebatte problemlos bestehen.


Gruss

Jörg Haas
Lottumstr. 5
10119 Berlin
mobile: +49-171-6447704




_______________________________________________
Interessierte-kvploen mailing list
Interessierte-kvploen@lists.sh-gruene.de
http://lists.lists.sh-gruene.de/cgi-bin/mailman/listinfo/interessierte-kvploen