25/10/2019

Der Vollhöfner Wald liegt in Altenwerder






Florian Zinnecker
Lieber Herr Paukstadt,
 
wenn jetzt gleich um 8.05 Uhr die Sonne aufgeht, macht sich ein Großaufgebot der Hamburger Polizei wieder daran, eine Gruppe radikaler Klimaschützer aus den Wipfeln des Vollhöfner Waldes zu räumen. Gestern Abend musste der Einsatz unterbrochen werden, Polizisten dürfen bei Dunkelheit nicht klettern.

Der Vollhöfner Wald liegt in Altenwerder – wenn Sie sich am Elbstrand auf den Alten Schweden stellen und haargenau nach Süden blicken, könnten Sie ihn theoretisch sehen, wäre nicht der Hafen im Weg. Dem Hafen wiederum ist der Wald im Weg, die Fläche, rund 45 Hektar, ist ausgewiesenes Hafenerweiterungsgebiet und gehört der Hamburg Port Authority (HPA). Mittelfristig sollen hier 30.000 Bäume fallen, damit der Hafen weiter wachsen kann. Hamburgs Naturschützer fordern, den Wald als Schutzgebiet auszuweisen, Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne), der in der misslichen Lage ist, beiden Seiten gerecht werden zu müssen, erklärt diplomatisch: Niemand habe die Absicht, hier einen Baum zu fällen, jedenfalls jetzt noch nicht. Ein Trupp Naturschützer hatte den Wald unterdessen aber schon für besetzt erklärt.

Dann begann eine Auseinandersetzung, in der es auch um Umweltschutz und Rechtsstaatlichkeit, vor allem aber ums Prinzip geht: In einem Wald, der im Moment gar nicht durch Anketten vor dem unmittelbaren Angriff der Harvester gerettet werden kann, errichteten die Besetzer (anfänglich waren es sieben, später einige mehr) ein Baumhaus. Die Polizei setzte ein Ultimatum, dann rückte ein Großaufgebot an und begann den Wald, in dem die Besetzung eigentlich nicht weiter störte, zu räumen, das Baumhaus abzureißen und den Besetzern in die Wipfel nachzuklettern. Heute geht es damit weiter.

Wer im Recht ist, lässt sich leicht feststellen: Es ist die Polizei. Es handle sich bei der Besetzung um eine nicht angemeldete Veranstaltung auf nichtöffentlichem Grund, teilte ein Sprecher auf Nachfrage mit. Die Besetzer hätten sich beanstandungslos einige Meter weiter auf öffentlichem Grund versammeln können, so aber müsse die Hafenverwaltung die Versammlung nicht dulden. Und das stimmt natürlich. Gesetze sind dazu da, um eingehalten zu werden, keine Frage.

Wenn sich die Hamburger Politik demnächst aber wieder der Fortschrittlichkeit ihrer Umwelt- und Klimaziele rühmt, dann wird es auch vollkommen legal sein, sich zu erinnern: was für einen enormen Aufwand der Staat gerade betreibt, ein paar Naturschützer aus einem Wald im hinteren Hafen zu befördern, letztlich nur, damit er in ein paar Jahren umstandslos beseitigt werden kann.

Quelle>DIE ZEIT